Früher war alles anders: Das Essen schmeckte besser, die Leute waren freundlicher zueinander, die Musik war noch Musik und nicht Elektrobeat-Einheitsbrei. Warum drehen wir die Zeit nicht einfach zurück? Was die musikalische Entwicklung angeht, wäre das nicht die schlechteste aller Ideen. Auf diesen Trichter kam jetzt der öffentlich-rechtliche Radiosender Bulgariens (BNR), wenn auch nicht ganz freiwillig…
Not macht bekanntlich erfinderisch. Doch statt einer Notlösung zeigt mein Webzuckerl, wie kreativ das Anschlagen neuer Töne sein kann.
All we hear is radio… of 1946!
Neues Jahr, neue Lizenzgebühren – so dachte sich die Urheberrechtsgesellschaft Musicautor, die den bulgarischen Radiosender BNR bis 2017 mit Musik versorgte. Doch bei einer Preiserhöhung von 500.000 Lew (rund 255.000 Euro) auf 1,8 Millionen Lew (rund 920.000 Euro), versteht jeder noch so große Musikliebhaber keinen Spaß mehr. Also beschloss der Radiosender bei dieser Gebührenverdreifachung nicht mitzuspielen – und nutzt stattdessen nur noch lizenzfreie Musik!
Ein unschöner Streit, den so manchen Radiosender in eine tiefe Sinnkrise katapultiert hätte. Nicht aber Radio Bulgaria: Sie zeigen der Gebühren-Krake die kalte Schulter und legen statt Chart-Dauerschleife nur noch Ur-Oldies auf. Da nach geltenden EU-Regeln das Urheberrecht eines Musikers nach 70 Jahren erlischt, spielt der Radiosender nur Songs, die vor 1946 aufgenommen wurden.
Radio-Rechteinhaber-Revolution
Es herrschte Zähneklappern und Angstschweiß vor der Auswertung der ersten Hörerzahlen nach der Umstellung – doch alle Panik umsonst. Der BNR hat jetzt zwanzig Prozent mehr Hörer als zuvor! Und auch das Redaktionstelefon steht nicht mehr still – die Bulgaren sind begeistert von der neuen Mischung aus Jazz, Klassik und Live-Mitschnitten bulgarischer Folklore-Konzerte. On Air-Performances nehmen auch wieder zu – eine Renaissance längst vergessener Radio-Trends und ein Wideraufleben der bulgarischen Musik-Tradition.
Aus der Not eine Tugend machen – dieses Sprichwort haben die Programmchefs des Senders mehr als verinnerlicht. Für die Zeit nach dem Urheberrechts-Streit kündigen sie Spartenkanäle an, in denen lizenzfreie Musik gestreamt werden kann. Außerdem wollen sie mehr auf die Hörerwünsche eingehen – also tatsächlich nicht die schlechteste aller Entwicklungen. Ebenso ungewöhnlich wie der Fall von Radio Bulgaria ist, so ungewöhnlich ist auch der Weg, den der Radiosender eingeschlagen hat: Auf jeden Fall ein kreativer Weg, um Urheberrechtsstreitigkeiten die kalte Schulter zu zeigen.