Urteil OLG Hamburg: Mangelhafte Datenschutzerklärungen können wettbewerbsrechtlich abgemahnt – und die Internet-Agentur zur Kasse gebeten werden

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Mangelhafte Datenschutzerklärungen auf Webseiten sind wettbewerbswidrig – und können abgemahnt werden. Das hat das Oberlandesgericht Hamburg Ende Juni in einem interessanten Urteil entschieden. Eine Entscheidung, die deutlich macht: Wenn es um den Schutz personenbezogener Daten geht, drücken die Gerichte kein Auge zu. Und auch nicht, wenn es um die Haftung geht. So ging es vor dem Oberlandesgericht Hamburg nämlich noch um eine andere Frage: Ob auch das beauftragende Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne in Anspruch genommen werden kann – neben der beauftragten Internet-Agentur versteht sich. Über die Konsequenzen der Entscheidung dazu dürften sich wohl die allerwenigsten Agenturen freuen…

OLG Hamburg: Datenschutzverstöße auf Webseiten sind wettbewerbswidrig – es droht die Abmahnung. Warum das für Dienstleister ein doppeltes Haftungsrisiko bedeutet.
OLG Hamburg: Datenschutzverstöße auf Webseiten sind wettbewerbswidrig – es droht die Abmahnung. Warum das für Internet-Dienstleister & Co. ein doppeltes Haftungsrisiko bedeutet.

Diese Woche geht es auf meinem Blog in aller Kürze um die Hintergründe zum Urteil des OLG Hamburg – vor allem aber darum, warum die Entscheidung für Agenturen und Dienstleister ein doppeltes Haftungsrisiko bedeutet, bei „schlechten“ Dienstleistungen von ihren Kunden zur Kasse gebeten zu werden.

Agentur: Kein Impressum und Datenschutzerklärung auf Landingpage

Wenn zwei das gleiche vertreiben, freut sich der Dritte. Sollte man zumindest meinen. In diesem Fall ging das jedoch nach hinten los: Ein Unternehmen (A) vertreibt Blutzuckermessgeräte für Diabetiker – ein anderer Hersteller (B) auch. Letzterer beschritt dabei den innovativen Marketingansatz über das Internet:

Er beauftragte eine externe Internet-Agentur mit der Schaltung von Online-Werbung. Dabei konnten sich Interessierte auf einer von der Internet-Agentur betriebenen Seite registrieren (natürlich mit ihren Daten) und ein Testgerät erhalten.

Der Knackpunkt: Auf der Landingpage, auf der sich die User registrieren konnten, war von der Agentur sehr „hemdsärmlig“ weder ein Impressum (Verstoß gegen § 5 TMG) noch eine Datenschutzerklärung eingebunden, die den User verständlich über Art, Umfang und Zweck der Erhebung der Daten und deren Verwendung aufklärt (Verstoß gegen § 13 TMG).

Ein „Versäumnis“ , das in Zeiten wirtschaftlicher Konkurrenz große Angriffsfläche bietet. Kurzum: Unternehmen (A) mahnte sowohl seinen Konkurrenten (Hersteller B) ab, der die Aktion in Auftrag gab, wie auch die ausführende InternetAgentur, welche als „ausführendes Organ“ die Werbung geschaltet hatte und die Landingpage betrieb.

Und während die Agentur sofort eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, wollte der Hersteller das nicht einsehen. Der Fall landete vor Gericht.

Entscheidung OLG Hamburg: Kunde haftet für Verstoß der Internet-Agentur

Vor dem OLG Hamburg (Az. 3 U 26/12) mussten sich die Juristen nun mit zwei entscheidenden Kernfragen auseinandersetzen:

  1. Kann ein Verstoß gegen die Informationspflicht bei Datenerhebungen eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung auslösen?
  2. Kann auch der beauftragende Dienstleister zur Verantwortung gezogen werden.

Die Antwort des Gerichts lautete – salopp formuliert: JA. Und zwar in beiden Fällen.

Das ist juristisch interessant, weil bislang die Kernfrage umstritten ist, „ob datenschutzrechtliche Normen wettbewerbsrechtlich relevant sind“, wie Nina Diercks in ihrem Beitrag OLG Hamburg: Mangelhafte Datenschutzerklärungen sind wettbewerbswidrig und mit Abmahnungen angreifbar schreibt und den ich an dieser Stelle als Leselektüre auch in punkto juristische Hintergrunddetails wärmstens empfehle.

Als Vermögensschadenexperte finde ich aber natürlich besonders „zweitere“ Begründung des OLG Hamburg interessant, die da lautet:

Die Antragsgegnerin haftet für den Verstoß der Fa. C. GmbH als ihrer Beauftragten gem. § 8 Abs. 2 UWG. (…) Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Fa. C. AG zum Zwecke der Bewerbung ihrer Produkte vertraglich eingeschaltet. Ferner ist die Antragsgegnerin in die Abwicklung der Werbeaktion eingebunden, so dass auch bei ihrer Durchführung ein enger Bezug zur Antragsgegnerin besteht. Diese Umstände rechtfertigen die Annahme der Beauftragtenhaftung.

Im Klartext: Der Hersteller (Kunde) kann für den Verstoß seiner Internet-Agentur (beauftragter Dienstleister) zur Verantwortung gezogen werden.

Doppeltes Haftungsrisiko für Agenturen bei Schlechtleistung

Was bedeutet dieses Urteil nun für die beauftragte Internet-Agentur – und damit auch ganz allgemein für freiberufliche und selbständige Dienstleister? Ein doppeltes Haftungsrisiko…

Dazu muss man sich bewusst machen, dass zwar auch der Auftraggeber wettbewerbsrechtlich neben der Internet-Agentur in Anspruch genommen werden kann, als logische Konsequenz und „mit gutem Recht“ wird der Auftraggeber jedoch seine Internet-Agentur wegen Schlechtleistung in Regress nehmen.
Konkret bedeutet das: Der Auftraggeber wird sich die Kosten für seinen Rechtsstreit über die Abmahnung von der Agentur „zurückholen“ bzw. ersetzen lassen.

Im Worst Case steht die Agentur als Dienstleister also doppelt in der Haft-Pflicht (und zwar im wahrsten Sinne des Wortes): Sie kann nicht nur wegen des selbst begangenen Verstoßen gegen Datenschutzbestimmungen finanziell zur Verantwortung gezogen, sondern von ihrem Kunden zusätzlich in Regress genommen werden.

Übrigens: Vor diesem Haftungsrisiko schützt Agenturen auch nicht, wie häufig fälschlicherweise angenommen, der Dienstvertrag. Zwar schuldet die Agentur – anders als beim Werkvertrag – kein konkretes Ergebnis, sondern lediglich die (Dienst-)Leistung. Das schließt eine Haftung für Wettbewerbsverletzungen jedoch nicht aus.

Hinweis: Übrigens gibt es mittlerweile im Zusammenhang mit SEO-Leistungen ein umstrittenes Urteil, dass in Linkbuildingleistungen einen Werkvertrag annimmt.

Und eine weitere Anmerkung kann ich mir natürlich nicht verkneifen: Vor den finanziellen Konsequenzen einer Wettbewerbsrechtsverletzung können sich Kreative und Agenturen z.B. durch eine spezielle Media-Haftpflicht schützen 🙂

Fazit: Harte Bandagen in punkto Datenschutz, die – ich bin mir sicher – in Zukunft noch fester gezurrt werden. Internet-Agenturen und alle anderen selbständigen Dienstleister sollten das Thema deshalb präventiv angehen und so ihrem gestiegenen Haftungsrisiko entgegentreten.
Zum Beispiel, indem sie der Impressumspflicht nachkommen – und auch die Datenschutzerklärung nicht auf die leichte Schulter nehmen!
Wie die auszusehen hat, zeigt der kostenlose Datenschutz-Muster-Generator für Webseiten, Blogs und Social Media von Rechtsanwalt Thomas Schwenke. Da kann ja nicht mehr schiefgehen 🙂

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