Es klingt erst einmal wie der Traum aller Führungskräfte: Jede Anweisung, jeder noch so simple Vorschlag erntet uneingeschränkte Zustimmung bei deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Niemand stellt dich und dein Know-How in Frage – wundervoll, oder? Ganz ehrlich: Nein. Die permanente Zustimmung deiner Angestellten ist KEIN Qualitätsmerkmal für gute Führung! Im Gegenteil. Gute Führung zeichnet sich eher dadurch aus, dass aus Ja-Sagerinnen und Ja-Sagern kritische Angestellte werden und ich erkläre dir auch gerne, warum.
Ohne Kritik kein Wachstum
Keine Führungskraft ist unfehlbar – du nicht, ich nicht und auch die erfahrensten Top-Manager:innen versagen in dieser Hinsicht hin und wieder. Gerade beim Beschreiten von neuen Wegen hat der hierarchische Führungsstil in der digitalen Welt ausgedient. Gerade da, wo auch die Führungskraft nicht exakt weiß, wie etwas völlig Neues umzusetzen ist, macht ein kooperativer Ansatz – zum Beispiel mit einem Brainstorming über die besten Möglichkeiten – Sinn. Jedes Teammitglied kann seine Erfahrungen einbringen, darf auch mal „out of the box“ denken und das Für und Wider einzelner Ansätze kann in der Gruppe diskutiert werden. Das funktioniert aber nur, wenn Personen am Tisch sitzen, die es gewohnt sind, eigene Meinungen zu haben und eigene Vorschläge einbringen. Sich das einzugestehen erfordert Selbstreflexion und kann stellenweise auch mal unangenehm sein. Doch ohne diesen Prozess bringst du dich und dein Business um wertvolles Entwicklungspotenzial! Wenn deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu allem Ja und Amen sagen, bedeutet das also eher nicht, dass du ein/e unfehlbare/r, stets perfekte/r Chef:in bist. Ziehe stattdessen in Betracht, dass du von Ja-Sagerinnen und Ja-Sagern umgeben bist.
Das solltest du dringend ändern, denn ohne konstruktive Kritik kann sich weder dein Unternehmen weiterentwickeln – noch du dich als Führungskraft! Äußert deine Belegschaft sich nicht kritisch und konstruktiv, entgeht dir aber nicht nur jede Menge guter Input, sondern auch das Arbeitsklima leidet gewaltig. Denn wie schon damals in der Schule gilt auch im Arbeitsleben: Niemand mag Schleimer:innen. Im Gegenteil, sie bedeuten sogar sowohl privat als auch beruflich Stress und vermiesen die Stimmung.
Konstruktiver Austausch bereichert dein Team
Ein konstruktiver Austausch bedeutet Arbeit für beide Seiten. Aus eigener Erfahrung kann ich dir jedoch versichern: Es lohnt sich! Das offene Feedback meines Teams hat bei exali nicht nur für ein besseres Arbeitsklima gesorgt, sondern auch viele Angebote und Projekte nachhaltig verbessert. Wie du eine Mitarbeiter:innen abseits davon zu Höchstleistungen motivieren kannst, habe ich in einem anderen Artikel bereits eingehend behandelt. Bevor du nun aber daran gehst, aus deinen Angestellten gute Kritiker:innen zu machen, solltest du erst etwas Ursachenforschung betreiben…
Warum äußern sich deine Mitarbeiter:innen nicht offen?
Wir alle sind geprägt von unseren Erfahrungen und tragen diese mit uns. Das gilt auch für unser Berufsleben. Haben deine Mitarbeiter:innen in einem anderen Arbeitsverhältnis schlechte Erfahrungen mit frei hervorgebrachter Kritik gemacht, wurden sie zurechtgewiesen oder im Anschluss sogar gegängelt, werden sie sich auch vor dir kaum offen äußern. Kommt dann noch eine ungünstige Fehlerkultur in deiner Firma hinzu, ist das der Todesstoß für jede gute Kommunikation. Meiner Meinung nach überwiegt in dieser Rechnung jedoch der Faktor der Fehlerkultur. Als Chef:in solltest du dich stets an die eigene Nase fassen, wenn sich in deiner Gegenwart niemand traut, den Mund aufzumachen.Meiner Erfahrung nach kann dann ein Gespräch mit den betroffenenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter vier Augen helfen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. In einer vertrauten Runde ist es für diese Angestellten dann einfacher, auch mal Kritik anzubringen. Sagt ihnen, dass ihr eine konträre Meinung schätzt, um euren Standpunkt oder den eingeschlagenen Weg noch einmal zu verifizieren. Lobt auch mal eine/n Mitarbeiter:in, der eine ganz andere Meinung in eine Diskussion einbringt.
Ja-Sager:in ist nicht gleich Ja-Sager:in
Wie eingangs dargelegt, haben Menschen also ganz unterschiedliche Beweggründe, konstruktive Auseinandersetzungen zu meiden. Genauso verschieden wirkt sich das auch auf ihr Verhalten dir gegenüber aus.
#1: Schleimer:innen
Die/den klassische/n Schleimer:in kannst du mit etwas Übung bereits an der Körpersprache erkennen. Erwidert die Person deinen Blick, lächelt und tritt offen auf, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie dir aus ehrlicher Überzeugung zustimmt anstatt aus Bequemlichkeit oder Angst. Fehlt das Lächeln, wirkt es gezwungen oder sieht dein/e Gesprächspartner:in dir einfach nicht richtig in die Augen, dann ist sie /er wahrscheinlich nicht mit deinen Äußerungen einverstanden. Hinter so einer Haltung liegt meist Widerstand, den die/der betroffene Mitarbeiter:in nicht offen zeigen möchte.
#2: Opportunist:innen
Ein Sonderfall im Bereich der Ja-Sager:innen sind die Opportunistinnen und Opportunisten. Diese Fraktion richtet ihre Meinung stets nach dem größtmöglichen Vorteil aus. Dementsprechend werden sie dir vermutlich in allem zustimmen – vollkommen egal, welche Qualität deine Anweisungen haben. Diese Menschen sind durch logische Argumentation nur schwer zur Räson zu bringen, aber dafür kannst du sie mit ein paar einfachen Sätzen wunderbar enttarnen. Ordne im nächsten Meeting etwas an, das jeder und jedem mit etwas gesundem Menschenverstand vollkommen widersinnig erscheinen muss. Findet jemand diesen Quatsch trotzdem ganz toll, weißt du, woran du bist.
#3: Passiv-aggressive Mitarbeiter:innen
Diese Sprüche kommen dir bestimmt bekannt vor:
- „Na, wenn du meinst.“
- „Klar mache ich das alles nochmal – gar kein Problem.“
- „Eine Zusatzaufgabe? Ganz toll…“
Die latente Aggression in diesen Sätzen erschließt sich einem sogar beim Lesen, oder? Diese oder andere Sticheleien, die vordergründig Zustimmung signalisieren, vergiften die Atmosphäre in jedem Team nachhaltig. Auch hier sprechen Mitarbeiter:innen Kritik weder offen noch konstruktiv aus, sondern ihr ganzer Ärger schwelt zwischen den Zeilen – für jede/n spürbar, aber unausgesprochen. Die Ursache für dieses Verhalten ist in unserer Erziehung zu finden. Vielen von uns wird bereits als Kind beigebracht, dass Konflikte grundsätzlich schlecht sind und vermieden werden sollten.
Im wahren Leben gelangen wir jedoch immer wieder an Punkte, an denen wir um Kritik einfach nicht mehr herumkommen. Ist es dann soweit, fühlen sich die Angesprochenen oft persönlich angegriffen und schlagen verbal zurück. Kommt im Unternehmen dann noch eine schlechte Fehlerkultur hinzu, verstärkt sich dieser Mechanismus. Häuft sich dieses Benehmen, empfehle ich dir daher dringend, deinen Führungsstil zu hinterfragen.
Mein Tipp, falls du dir unsicher bist, ob ein/e Mitarbeiter:in sich tatsächlich hinter diesem Verhaltensmuster versteckt: Passive Aggressivität erkennst du vorrangig daran, dass Menschen mit diesem Verhaltensmuster Andere daran hindern wollen, voran zu kommen. Geschieht das bei einer/einem deiner Angestellten sehr unvermittelt und passt eigentlich gar nicht zu demjenigen, liegt vielleicht ein unausgesprochener Konflikt zugrunde. Vertraue auf dein Bauchgefühl! Meist wissen wir ganz intuitiv, ob uns jemand wohlgesonnen ist, oder nicht.
Prävention gegen Ja-Sageritis
Damit die Chance auf guten Input nicht auf ewig in der Versenkung verschwindet, nimm die Sache am besten bereits in die Hand, bevor deine Angestellten dich nur noch inflationär mit Zustimmung überhäufen. Dazu gehört vor allem, angemessen auf Kritik zu reagieren. Folgendes solltest du unbedingt vermeiden:
- Rechtfertigung
Werden wir kritisiert, verspüren wir erst einmal den Impuls, genau darzulegen, warum unser Handeln doch eine ganz gute Idee war. Deinem Gegenüber hilft das leider überhaupt nicht. Gib deiner/deinem Gesprächspartner:in stattdessen das Gefühl, zu verstehen, worum es ihr/ihm geht.
- Desinteresse
Aus Bequemlichkeit oder Ignoranz nicht auf das Anliegen deiner Mitarbeiter:innen einzugehen, ist der Todesstoß für jeden sinnstiftenden Austausch.
Verlege dich besser darauf, weniger zu reden und stattdessen mehr und sehr aufmerksam zuzuhören. Indem du dich für das Feedback bedankst, zeigst du außerdem, dass du Kritik zu schätzen weißt. Räume dir auch ruhig etwas Zeit für eine Erwiderung ein. Stress vernebelt uns nachweislich die Sinne und kann eine durchdachte Reaktion im schlimmsten Fall ernsthaft torpedieren. Bei meiner Zeit in der Bundeswehr gab es immer die Vorgabe in einem solchen Fall eine Nacht darüber zu schlafen. Daran halte ich mich vor allem, wenn ich harsche oder persönliche Kritik bekomme, die ich im ersten Moment gar nicht nachvollziehen kann. Meist kann ich am Tag darauf viel sachlicher darüber sprechen und fühle mich gleich viel weniger angegriffen. Mach dir daher im Vorfeld in Ruhe deinen eigenen Standpunkt klar, bevor du auf Feedback reagierst. All das wird die Arbeitskultur in deinem Team nachhaltig verbessern und eine Menge tollen Input generieren.
Ein wenig anders ist die Sache natürlich gelagert, wenn jemand offensichtlich auf Krawall aus ist. Hier lohnt es sich, genau nachzufragen, worum es deiner/m Angestellten eigentlich geht. Bitte sie /ihn um eine genauere Ausführung ihrer/seiner Bedenken und finde so heraus, ob es nicht vielleicht doch gute Gründe für Gegenwind gibt. Sucht jemand aus der Belegschaft Streit, wird dessen Kartenhaus schnell in sich zusammenfallen.
Das können Führungskräfte tun
Wie auch immer Kritik hervorgebracht wird: Ruhe und Sachlichkeit sind oberstes Gebot. Lass dich auf keinen Fall provozieren. Im Zweifelsfall hake lieber freundlich nach, wie eine bestimmte Aussage gemeint war. Letzten Endes geht es darum, die mehr oder weniger versteckten Botschaften deiner Mitarbeiter:innen zu verstehen und direkt darauf einzugehen. Selbst wenn du ein Anliegen nicht direkt lösen kannst, fühlen sich deine Angestellten gesehen und trauen sich beim nächsten Mal eher, ein Problem anzusprechen. Wenn du das volle Potenzial deiner Belegschaft ausschöpfen willst, solltest du die Fehlerkultur in deinem Unternehmen genauso wie deinen eigenen Führungsstil regelmäßig hinterfragen. Das Ziel ist nicht, für alles und jede/n die/der Problemlöser:in zu sein, sondern deinen Angestellten das Gefühl zu geben, mit ihren Anliegen offen wahrgenommen zu werden, ohne Nachteile befürchten zu müssen.
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