Hintergründe

Lohnt sich Coaching für Selbständige? Ein Gespräch mit Kommunikations-Expertin Susi Krauseneck

Coaching boomt – vor allem in den sozialen Netzwerken, insbesondere YouTube, TikTok oder Instagram. Doch ist die Qualität eines solchen Coachings über kurze Clips wirklich sinnvoll und vor allem zielführend? Und: Woran kann man die Qualifikation der Coaches überhaupt erkennen?

Kommunikationsexpertin Susi Krauseneck spricht mit exali-Gründer Ralph Günther über Vorteile und Missverständnisse beim Thema Coaching.

Ich habe im Laufe meiner Karriere schon einige Coachings absolviert – vor allem in Bereichen, die mir nicht so liegen, wie zum Beispiel das freie Sprechen vor Menschen. Mir persönlich haben diese Coachings immer sehr geholfen, weshalb auch die Führungskräfte in meinem Unternehmen immer wieder in den Genuss von Workshops oder Trainings kommen. Leider hat der Coaching-Boom der letzten Jahre auch viele, na sagen wir mal, fragwürdige Anbieter:innen zu Tage gefördert. Genau diesen hat Jan Böhmermann kürzlich in seinem ZDF Magazin Royale eine Folge gewidmet.

Ist Coaching via Social Media sinnvoll?

Da ich selbst Coachings nur subjektiv betrachten und bewerten kann, habe ich mich mit Susi Krauseneck über das Thema unterhalten. Sie ist seit über 20 Jahren als Moderatorin tätig und bietet darüber hinaus Medien- und Kommunikationstrainings sowie Coachings an. Als Expertin hat sie noch einmal einen viel besseren Blick auf das Thema als ich. Auf die Frage, wie sie die Entwicklung sieht, dass gerade in sozialen Netzwerken wie TikTok, YouTube oder Instagram immer mehr Videos, Podcasts oder andere Beiträge zu finden sind, in denen selbsternannte Coaches mit Sprüchen und Anleitungen ihre Coachings anpreisen, antworte sie folgendermaßen:

„Grundsätzlich finde ich es nicht schlecht, Menschen mit einem Post in ihrer digitalen Lebenswelt zu erreichen. Aus Marketingsicht kann man mit der richtigen Wahl des Social Media Kanals bereits die gewünschte Zielgruppe ansprechen oder neue Zielgruppen erschließen. Auch Tutorials, Online-Kurse oder Video-Trainings können sehr hilfreich sein“, meint Susi. Dennoch gäbe es einen großen Unterschied zwischen Lifehacks für Powerpoint oder Tipps für eine erfüllte Partnerschaft und Business-Themen wie Teamführung oder die Erweiterung des eigenen Skillsets. Das eine geht per Video-Tutorial, das andere braucht den persönlichen Austausch.

Coaching ist individuell und interaktiv

„Ein Coaching berücksichtigt grundsätzlich die individuelle und aktuelle Situation des Coachees, es ist interaktiv und personenzentriert. Ein Video dagegen bleibt allgemein und wird einer komplexen, individuellen Situation nie gerecht“, erklärt sie weiter. Dem kann ich nur zustimmen. Ich selbst erinnere mich zum Beispiel an ein Coaching, in dem es um freies Sprechen ging.

Die erste Aufgabe bestand darin, spontan einen kurzen Vortrag zu einem vorgegebenen Thema zu halten. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wurde das Ganze auch noch aufgenommen. Anschließend habe ich mir das Video gemeinsam mit dem Coach und den anderen Teilnehmer:innen angeschaut – und zum ersten Mal gesehen, mit welcher Gestik und Mimik ich meine versuchte, meine offensichtliche Nervosität zu überspielen. Dieses Beispiel zeigt: Gutes Coaching ist individuell und lebt vom Austausch. Wenn ich mir dagegen ein Video anschaue, in dem es um „Tipps für bessere Präsentationen“ geht, ist das zwar eine gute Grundlage, kann aber nicht ersetzen, was man in einem Coaching konkret lernt.

Wer darf sich überhaupt Coach nennen?

Die wichtigste Frage vor Beginn eines Coachings ist ja zum einen, worum soll es genau gehen und dann: welche:n Anbieter:in wähle ich? Bei dem mittlerweile sehr großen Angebot ist es gar nicht so einfach, einen wirklich guten Coach zu finden. Hier stimmt mir Susi zu: „Es ist in der Tat sehr schwierig, hier die Spreu vom Weizen zu trennen. Ich selbst bilde mich regelmäßig fort und recherchiere und vergleiche im Vorfeld genau, um nicht nur das richtige Thema, sondern auch den/die richtigen Coach oder Trainer:in zu erwischen. Der Business- oder Systemische Coach ist in der Regel zertifiziert mit qualifizierter Ausbildung und Mitgliedschaft in einem Verband. Hier kann man von einer entsprechenden Qualität des Coachings ausgehen.“

Es ist aber auch so, dass mittlerweile jede Organisation, die sich „Akademie“ oder „Institut“ nennt, Zertifikate für Coaches ausstellt. Auf meine Frage, woran ich dann erkennen kann, ob ein Zertifikat seriös ist, antwortet Susi: „Anerkannte Coaches mit Zertifizierungsanerkennung findet man zum Beispiel beim Deutschen Business Coaching Verband DBVD, beim Deutschen Coaching Verband DCV oder bei der International Organization for Business Coaching IOBC“.

Nicht alle Coaches ohne Zertifizierung sind unseriös

Ein fehlendes Zertifikat bedeute aber nicht automatisch, dass der Coach unseriös sei, stellt sie klar: „Auch hier gibt es oft hochprofessionelle Arbeit. Coaching ist in der Regel eine prozessbegleitende Unterstützung durch eine Expertin oder einen Experten. Menschen mit 20 Jahren Berufserfahrung können als Sparringspartner mit ihrer großen Praxiserfahrung und eigenen Weiterbildungen sehr gute Coaches sein“. Die individuelle Erfahrung einer schmerzhaften Scheidung oder Trennung macht jedoch noch nicht zur Expertin oder zum Experten als Life-Coach.

Warum ist Kommunikation für Unternehmen so wichtig?

Kommunikation ist alles! Das lernt man immer wieder, gerade wenn es um Mitarbeiterführung und Marketing geht. Ich selbst war erst kürzlich wieder mit den Führungskräften von exali auf einem zweitägigen Workshop, wo dieses Thema im Mittelpunkt stand. Doch obwohl Kommunikation so wichtig ist, erläutert mir Susi, sei es in vielen Unternehmen bislang ein eher nachrangiges Thema. Meist stünden andere Dinge wie Finanzen oder Vertriebswege mehr im Vordergrund. Doch wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerate, gehe es letztlich immer um Kommunikation.

„Für viele Unternehmen, die ich berate, waren die Energiekrise und der Russland-Ukraine-Krieg in der internen und externen Kommunikation viel schwieriger zu bewältigen als beispielsweise für Corona. Wer sich erst in der Krise mit Kommunikationsprozessen oder -inhalten auseinandersetzt, handelt unüberlegt, macht Fehler oder kommuniziert aus Angst oft gar nicht – und das ist aus meiner Sicht der größte Fehler von allen“, fügt sie hinzu.

Ist Coaching auch für Freelancer:innen oder Gründer:innen sinnvoll?

Mich würde interessieren: Wie sieht es mit Coaching für Freelancer:innen und Gründer:innen aus – können auch diese von einem Coaching profitieren? „Unbedingt! Das Thema Kundenaufbau, Sichtbarkeit und digitale Reichweite ist ein Thema für alle, die gerade dabei sind, ihr Unternehmen aufzubauen. Aber auch Marketing- oder Vertriebskommunikation, Teamführung oder agiles Arbeiten sind Bereiche, in denen man mit Coaches schneller vorankommt“, sagt Susi.

Vorsicht vor zu großen Versprechungen!

Allerdings warnt sie auch davor, dass es gerade im Bereich Marketing und Vertrieb viele unseriöse Coaching-Angebote gibt: „Ich persönlich werde zum Beispiel beim Framing „Finanzielle Unabhängigkeit“ hellhörig. Jede:r Selbständige oder Gründer:in weiß, wie schwierig es ist, am Anfang eine durchgängige Auftragslage stabil und am besten noch bis ins Folgejahr hinein sicherzustellen. Es ist fast unmöglich, das ist spätestens seit Corona klargeworden. Deshalb sind aus meiner Sicht Versprechungen von Coaches wie „Wie ziehe ich Kunden wie ein Magnet an“ oder „Wie schaffe ich schnell 5k im Monat“ schlicht unseriös“.

Schließlich lasse sich nicht ein Konzept pauschal auf jedes Unternehmen übertragen. Übrigens sind es genau solche Coaching-Angebote, die derzeit stark in der Kritik stehen. Meiner Meinung nach zu Recht – ich persönlich glaube auch nicht, dass es EIN Konzept gibt, mit dem jeder:r in kurzer Zeit massiv viel Geld verdient oder Kunden und Kundinnen generiert. Leider fallen immer wieder Menschen auf solche Versprechungen herein, so Susi: „Viele Coachees investieren hier viel Geld, machen dann Verluste und geben frustriert auf. Deshalb sollte man genau hinschauen, wer hier ausbildet und welche Expertise dahintersteckt.“

Wie läuft ein professionelles Coaching ab?

Es bleibt bei der alten Weisheit: Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es das meistens auch. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass Coachings und Trainings oft vor allem anstrengend sind – im positiven Sinne. Und genau das ist der Sinn, betont Susi. „Professionelles Coaching hängt von vielen Faktoren ab: Es geht um Modelle, Methoden, aber auch um Didaktik, Haltung und Expertise. Da man als Coach so wenig wie möglich vorgeben möchte, wird der Prozess durch bestimmte Fragetechniken gesteuert, die es dem Coachee ermöglichen, selbst eine Lösung zu erarbeiten. Die gewünschten Themen sind dabei von „Schlagfertigkeit“ oder „Wertschätzende Kommunikation“ bis hin zu interner und externer Krisenkommunikation so vielfältig wie die Bedürfnisse meiner Kundinnen und Kunden“.

Gibt es dennoch allgemeine Bausteine oder Formeln für den Aufbau und die Inhalte eines Coachings? „Der Inhalt eines Coachings folgt immer einem logischen Aufbau, an dessen Ende durch Reflektions-Arbeit oder Praxisübungen ein Learning steht. Es ist eben kein „Frontalunterricht“ mit der puren Informationsweitergabe, sondern bringt den Coachee in Etappen von Ebene zu Ebene weiter. Ein Coaching ermöglicht aber immer auch den Blick auf individuelle Problemstellungen, erlaubt Schwerpunkte zu setzen oder Inhalte zu vertiefen. Das geht nur im Dialog. Natürlich gibt es beispielsweise auch in der Krisenkommunikation feste Textbausteine oder juristische Formulierungen. Dennoch müssen in der Kommunikation einfach sehr viele unterschiedliche Faktoren und individuelle Gegebenheiten berücksichtigt werden“, erläutert mir Susi. „Viele Unternehmen beschäftigen sich aktuell mit Themen wie dem Russland-Ukraine-Krieg, Diversity, Sexismus etc. und deren direkten Auswirkungen auf Unternehmenskulturen und -prozesse oder stehen unter medialer Beobachtung. Um nach außen und innen sprachfähig zu sein, bedarf es einer Gesamthaltung des Unternehmens. Dafür gibt es kein Patentrezept, aber einen gemeinsamen Weg dorthin“.

Im Coaching geht es darum, selbst Lösungen zu finden

In meinem privaten und beruflichen Umfeld kenne ich tatsächlich einige, die wie ich schon mehrere Coachings oder Trainings absolviert haben. Viele aus den gleichen Gründen wie ich, zum Beispiel um eben sicherer auf Veranstaltungen oder vor Mitarbeitenden präsentieren zu können oder um generell die Kommunikation im Unternehmen zu verbessern. Wichtig ist aus meiner Sicht auch, dass du in der Lage bist, Feedback anzunehmen und selbst nach Lösungen zu suchen – sonst könntest du dir auch einfach ein Video anschauen, wo dir jemand generische Lösungen vorgibt.

„Coaching geht auch mit einer Persönlichkeitsentwicklung der Coachees einher. Das ist ein laufender Prozess, den die Coaches begleiten“, sagt Susi. Ängste oder verinnerlichte Glaubenssätze könnten diesen Entwicklungsprozess jedoch behindern. „Ein Problem sind auch Hindernisse, die aus einem ganz anderen Bereich kommen, aber im Coachingprozess nicht besprochen werden können oder dürfen. Oft entsteht auch die Erwartungshaltung der Coachees, dass Coaches ihre Probleme lösen“, führt sie weiter aus. Umso wichtiger sei das Vorgespräch, in dem Inhalte, Bedürfnisse und Ziele geklärt werden, um Enttäuschungen und falsche Erwartungen zu vermeiden.

Coaching ist keine Therapie

Auch wenn gutes Coaching oft viel mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun hat und oft auch Themen wie Ängste oder frühere Erfahrungen zur Sprache kommen: Coaching ist nicht mit Therapie zu verwechseln – auch wenn das leider immer wieder mal salopp so verwendet wird. „Grundsätzlich sind die Begriffe Psychotherapie und Therapie genauso wie Coaching nicht geschützt. Jede:r darf sie für sich verwenden. Deshalb sollte man auch hier genau hinschauen, wer was mit welchem fachlichen Hintergrund anbietet“, meint Susi

Sie persönlich sehe in ihren Coachings keinen therapeutischen Ansatz oder Nutzen. Dennoch gäbe es Kommunikationsthemen, die sich mit Psychotherapie überschneiden, wie zum Beispiel „Angst vor öffentlichen Reden“. „Ich habe diesbezüglich sogar schon Anfragen von Psychotherapeut:innen bekommen, ob ich in diesem Fall ein Coaching übernehmen könne, da eine Therapie als „Angstpatient“ möglicherweise der falsche Ansatz sei“, erinnert sie sich.

Fazit: Coaching kann eine gute Unterstützung für Selbständige sein

Wie ich eingangs schon geschrieben habe, bin ich selbst ein großer Fan von Coachings, da sie mir in der Vergangenheit auch sehr geholfen haben. Wichtig ist aber, gerade bei dem mittlerweile sehr großen Angebot – sowohl was die Themen als auch die Art des Coachings betrifft – immer genau hinzuschauen, wer dahinter steckt. Im Zweifelsfall lohnt es sich auch, Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis oder dem beruflichen Netzwerk einzuholen, bevor man sich selbst auf die Suche nach Coaches macht.

Über meine Interviewpartnerin:

Susi Krauseneck
Medien- und Kommunikationstraining & Coaching – Schwerpunkte Storytelling, Interviews & Krisenkommunikation, Führung Mindset & Kommunikation

Mit über 20 Jahren Bühnenerfahrung hält Susi Krauseneck wirksame und inspirierende Impulsvorträge zu den Themen Leadership und Kommunikation. Als Moderatorin führt sie mit viel Sympathie, Kompetenz und Eloquenz durch Veranstaltungen und Gesprächsrunden.

Durch ihre Kommunikations- und Medientrainings unterstützt sie Inhouse und digital Mitarbeiter und Führungskräfte bei ihrer täglichen Arbeit. Schwerpunkte sind Krisenkommunikation, Storytelling, Schlagfertigkeit und strategische Gesprächsführung. Mehr zu Susi Krauseneck findest du auch auf ihrer Webseite:krauseneck.de

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