Eine Festanstellung bietet mehr als nur das Festgehalt: Urlaubstage, Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile an Versicherungen, Büroausstattung etc. All diese Komponenten muss ein Freelancer selbst übernehmen und in die Kalkulation des Tagessatzes miteinbeziehen. Trotzdem wechseln immer mehr ITler von der sicheren Festanstellung in die Freiberuflichkeit – lohnt sich das?
Diese Frage klärt mein heutiger Gastautor, Ulrich Conzelmann, CEO der freelance pages AG, anhand einer Beispielrechnung…
Wir vergleichen in einer Beispielrechnung das mittlere Einkommen eines festangestellten Entwicklers mit dem eines selbständigen Softwareentwicklers. Es handelt sich um Durchschnittswerte und im Einzelfall kann es größere Abweichungen geben. Die Rechnung bietet aber einen guten Überblick über die Faktoren, die bei der Berechnung eines Freelancer Tagessatzes eine Rolle spielen.
In unserer Rechnung gehen wir von einem Jahres-Bruttogehalt eines unverheirateten, festangestellten Software-Entwicklers in Höhe von 60.000 € aus. Nach Abzug der Steuern verbleiben ihm 46.600 € Nettogehalt.
Will ein Freiberufler ein entsprechendes Einkommen erzielen, so reicht es natürlich nicht aus, wenn er auf einen Umsatz von 60.000 € zzgl. Umsatzsteuer kommt, da er Kosten zu tragen hat, die bei einem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber bezahlt werden oder die bei Arbeitnehmern gar nicht anfallen. Die wichtigsten Positionen bewegen sich in folgenden Größenordnungen:
Um also auf den gleichen Arbeitslohn zu kommen wie ein Festangestellter müsste ein Freelancer circa 56 € pro Stunde für seine Arbeit zzgl. Reisekosten verlangen. Wir gehen bei der Herleitung von jährlich 170 Netto-Arbeitstagen aus. Der Nettostundensatz beträgt dann:
Netto-Stundensatz bei 170 Arbeitstagen: 76.200€ / 170 Tage / 8h = 56 €
Diese 170 Arbeitstage sind ein typischer Wert für die von einem Freelancer fakturierbaren Tage, da man von den jährlichen 252 Arbeitstagen im Jahr bei einem Freelancer nicht nur ein paar Tage für Urlaub und Krankheit abziehen muss, sondern auch Arbeitszeit, in der er nicht im Projekt ist. Dies sind vor allem jene Zeiten, die ein Freiberufler mit Fortbildungen und Projektakquise verbringt und in dieser Zeit kein Einkommen bezieht.
Meist wird von einem Freelancer ein Angebot auf Basis eines ‚all in‘-Stundensatzes verlangt, d.h. ein fester Stundensatz inkl. Reisekosten. Die Wirtschaftlichkeit eines Projekteinsatzes hängt somit stark von der Entfernung des Einsatzortes zum Wohnort des Freelancers ab. Im Mittel kann man hier von ca. 80 EUR pro Tag ausgehen. Um mit einem Festangestellten mithalten zu können, müsste der Freelancer also einen Stundensatz von 66 € erzielen.
Ist ein Stundensatz von 66 € für einen Freelancer im Bereich Software-Entwicklung realistisch? Und ob! Im Schnitt berechnen IT-Freelancer einen Stundensatz von 80 € für ihre Arbeit. Das ergibt einen Unterschied von ungefähr 20% im Vergleich zum Gehalt eines Festangestellten in unserem Beispiel.
Unser Beispiel spiegelt den Normalfall wieder. Natürlich läuft es in der Realität nicht immer so. Die Arbeitsbedingungen eines Freelancers sind mit einer Vielzahl an Risiken verbunden, die einen Festangestellten nicht im Geringsten betreffen. Die zusätzlichen 20% spiegeln eine Art Risikoprämie wieder, die den Freelancer für Zeiten entschädigen soll, in denen er unter dem Gehalt des Festangestellten liegt.
In unserer Beispielrechnung ist der entscheidende Punkt die Anzahl der Netto-Arbeitstage. Wir sind davon ausgegangen, dass ein Freelancer 22 Tage im Jahr kein Einkommen bezieht, weil er auf Projektsuche ist. Gerade dieser Wert kann stark variieren. Weiterhin muss ein Freelancer meist die ersten 21 Krankheitstage selbst ausgleichen, bis die Krankentagegeldversicherung greift. Im Beispiel sind wir von 10 Krankheitstagen ausgegangen – diese lassen sich mit dem typischen Freelancer-Stundensatz leicht ausgleichen.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Höhe der Reisekosten, die in Abhängigkeit vom Einsatzort stark variieren können. Läuft alles gut – wie in unserem Beispiel – profitieren Freelancer nicht nur, indem sie relativ selbstbestimmt arbeiten können, sondern auch von finanziellen Vorteilen. Und so lange sie die 20% Verdienstplus gegenüber ihren Kollegen in Festanstellung sinnvoll als Rücklagen verwenden, sollte es auch mal in Jahren mit einer weniger starken Projektauslastung zu keinen Engpässen beim Freelancer kommen.
Ulrich Conzelmann ist CEO der freelance pages AG, die eine Freelancer-Plattform als digitale Alternative zu dem bisherigen Freelancer-Vermittlungsmodell bietet. Ulrich Conzelmann verfügt über langjährige Erfahrung als Projektmanager und Berater. Seine Schwerpunkte sind Transformationsprojekte zur Digitalisierung von Geschäftsmodellen und zur agilen Organisationsgestaltung.
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