Jedes Unternehmen braucht Kennzahlen, um die eigene Leistung zu ermitteln und Abläufe nachvollziehbar und greifbar zu machen. Viele Manager:innen nutzen dafür vorrangig KPIs, wie zum Beispiel Umsatzziele oder Akquisitionskosten. Die Erfahrung hat mich aber gelehrt, dass es nicht ausreicht, sich einfach nur auf einen bestimmten Sollwert zu fokussieren und dann stumpf darauf hinzuarbeiten. Welche Risiken der reine Einsatz von KPIs mit sich bringt und warum ich ein Fan der Methode Objectives and Key Results (OKR) bin, sehen wir uns gemeinsam in diesem Artikel an.
Resultate im Fokus mit Key Performance Indikatoren (KPI)
Key-Performance-Indicators – kurz KPIs dienen vor allem einem Ziel: Sie sollen Prozesse bewerten, kontrollieren und verbessern. Oft werden diese KPIs als Jahresziel bestimmt. So vereinbare ich zum Beispiel als Vorstand mit dem Aufsichtsrat für jedes Geschäftsjahr bestimmte Kennzahlen, an denen ich gemessen werde. Vorrangig soll sich so auf Erfolg oder Scheitern von Prozessen schließen lassen. Je nach Position oder Abteilung umfassen KPIs daher beispielsweise Umsatzziele (etwa im Vertrieb) oder Kennzahlen wie Reichweite, Öffnungsraten und Klickzahlen (etwa im Bereich Online Marketing). Im realen Einsatz kommt für viele Unternehmen leider schnell der Praxisschock. Nicht richtig festgelegt, bergen Kennzahlen ein hohes Potenzial für Missverständnisse, vor allem wenn sie sich nicht richtig abbilden lassen oder sogar im Widerspruch zueinander stehen. Sie sollen einfache Antworten auf zum Teil sehr komplizierte Fragen geben – das funktioniert nicht immer.
Insgesamt lassen sie wenige Rückschlüsse darauf zu, wie Fortschritte zustande kommen oder woran sie scheitern. Sie sagen lediglich aus, ob das Unternehmen oder eine Abteilung ein (Jahres)Ziel erreicht hat. Da bei Key Performance Indikatoren die Resultate im Fokus stehen, ist oft unklar, wer in seinem Tagesgeschäft von einer bestimmten Kennzahl betroffen ist und was die eigene Arbeit eigentlich mit der Zielsetzung zu tun hat. Wenn man nicht sehr genau aufpasst, verlieren die Beteiligten im Unternehmen sowohl den Überblick über bereits ergriffene Maßnahmen als auch darüber, wie gut diese funktioniert haben.
Im Kennzahlendschungel
Ich persönlich bin ein Fan davon, groß zu denken und mir hohe Ziele zu stecken. KPIs passen nicht immer zu dieser Einstellung. Falsch eingesetzt sind sie unflexibel und machen eine Anpassung an die aktuelle Situation fast unmöglich. Ist ein Sollwert einmal festgelegt, fokussieren sich Führungskräfte und betroffene Abteilungen oft sehr starr darauf. Im Idealfall tun zwar sämtliche Beteiligte alles dafür, das gesteckte Ziel zu erreichen, doch der Druck, auf Biegen und Brechen ein ganz bestimmtes Resultat zu erbringen, erstickt jede Kreativität im Keim – Learnings oder gar die Frage, ob vielleicht noch mehr möglich gewesen wäre, ergeben sich daraus selten. Hier besteht das Risiko, an einem völlig falschen Weg festzuhalten, der mehr Ressourcen bindet als notwendig und im schlimmsten Fall nicht einmal zum gewünschten Endergebnis führt.
Immer wieder gipfelt auch eine Kennzahl in der nächsten, um alle Eventualitäten abzudecken. Die Konsequenz? Am Ende weiß niemand mehr so richtig, worauf er:sie eigentlich hinarbeiten soll und die gesamte Belegschaft ist so von Umsatzzielen, Personalkosten und Co. eingenommen, dass niemand mehr daran denkt, einen Prozess langfristig zu verbessern. Daher solltest du deinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf keinen Fall einfach Kennzahlen aufzwingen. Die Gefahr ist groß, dass sich deine Angestellten dadurch überwacht und unter Druck gesetzt fühlen.
Eines will ich klarstellen: Es geht mir nicht darum, Key Performance Indikatoren grundsätzlich zu verteufeln. Jedes Unternehmen benötigt Gradmesser, um den eigenen Kurs zu überwachen – dazu gehören auch vermeintlich trockene Kennzahlen. KPIs sind ein sinnvolles Instrument, um eine Entwicklung nachzuzeichnen, aber nicht, um sie Unternehmen und Belegschaft sklavisch überzustülpen. Ich halte mich beim Einsatz von Kennzahlen an den Vorsatz „So wenig wie möglich und so viel wie nötig“.
Der Blick aufs große Ganze – Objectives and Key Results (OKR)
Im Kern geht es bei dieser Methode darum, festzulegen, was für das Erreichen der mittelfristigen strategischen Unternehmensziele in jeder Abteilung priorisiert werden muss und sich dabei auf ein paar wenige Vorhaben festzulegen, die wirklich umgesetzt werden. Ist dieses übergeordnete Bild (Strategie) klar, definierst du gemeinsam mit deinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Ziele (Objectives) für die nächsten drei Monate, um diese große Vision in die Realität umzusetzen. Diesen Objectives werden Key Results zugeordnet, also eindeutig beschriebene Maßnahmen, um zu erreichen, was ihr euch vorgenommen habt. Im nächsten Schritt diskutiert ihr die einzelnen OKR-Sets der Abteilungen gemeinsam. Dadurch gibt es auch kein „Silodenken“ mehr im Unternehmen. Wie genau OKRs funktionieren, habe ich bereits in meinem Artikel „OKR einführen: So nutzt ihr die Management-Wunderwaffe aus dem Silicon Valley“ zusammengefasst.
Sinn und Klarheit
OKR besticht vor allem durch die hohe Transparenz und Agilität. Sogar die Praktikanten und Praktikantinnen wissen, auf welche Resultate die/der Chef:in im nächsten Drei-Monats-Set hinarbeitet. In regelmäßigen Meetings tauschen die verschiedenen Abteilungen sich untereinander über ihre Fortschritte aus, der Dialog zwischen Personal und Führungskräften wird verstärkt. Insgesamt ist die Belegschaft stark involviert – Ziele werden gemeinsam definiert und stützen sich auf den Input der Angestellten, die die Probleme des Tagesgeschäfts natürlich am besten kennen. Über allem stehen die Fragen: Worum geht es eigentlich beim großen Ganzen? Was können die einzelnen Teams dazu beitragen? Was muss die nächsten Monate priorisiert werden? Was benötige ich von einer anderen Abteilung für das Erreichen meines Ziels?
Ich bin davon überzeugt, dass Mitarbeiter:innen, die den Sinn einer Vorgabe sehen, wesentlich engagierter arbeiten. OKR verknüpft Ziele möglichst genau mit den Tätigkeiten, die zum Erreichen des gewünschten Resultats nötig sind. Das bestärkt, verschafft Klarheit über die übergeordneten Zusammenhänge und gibt jeder:m Einzelnen das Gefühl, dass die eigene Arbeit etwas wert ist. Objectives and Key Results hält alle im Unternehmen – vom Werkstudenten bis zum CEO – dazu an, groß zu denken. Alle sind involviert und mit verantwortlich für das Erreichen der Ziele und können ihre Aufgaben entsprechend priorisieren, um möglichst effektiv darauf hin zu arbeiten.
Meiner Erfahrung nach motiviert diese Tatsache enorm, da allen bewusst ist, dass sie etwas Wichtiges beitragen. Der Fokus liegt auf wenigen, klar definierten Vorhaben anstatt auf schwammigen Plänen, die nur halbherzig verfolgt werden. Gemeinsam geht man über das Erreichen einzelner, abstrakter Ziele hinaus und erarbeitet Prozesse, die der gesamten Organisation langfristig nützen. Ich habe die OKR-Methode bei der exali AG zuerst in der Webentwicklung und im Online-Marketing eingeführt. Da ich mittlerweile wirklich von den Vorteilen überzeugt bin, ist seit Kurzem jede meiner Abteilungen involviert.
Der Faktor Mensch
Auf welche Managementmethode deine Wahl auch fällt, mach dir immer wieder bewusst: Menschen, nicht Kennzahlen, steuern Firmen und bringen Prozesse voran. Es braucht die Bereitschaft, ausgetretene Pfade zu verlassen und Neues beherzt anzupacken – auch wenn das vielleicht erstmal für Aufregung sorgt. So erreichst du nicht nur Ziele, sondern dein Unternehmen entwickelt sich im Gesamten: Von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bis zum CEO, Vorstand oder der:dem Geschäftsführer:in.
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