Hintergründe

So kommst du als Freelancer besser durch die Krise: Experteninterview

Fragst du dich als Freelancer momentan auch oft, ob und wie du die Coronakrise überstehen kannst? Welche Strategien und Maßnahmen aktuell die richtigen sind, wo du sparen kannst und wie du trotzdem deine Auftraggeber hältst? Wenn ja, dann lies jetzt einfach weiter: Heute beantwortet Marketing- und Verkaufsexperte Christoph Gruhn (selbst Freelancer) die wichtigsten Fragen zum Krisenmanagement für Freelancer.

Wie kommst du als Freelancer am besten durch Krisenzeiten? Unser Experte gibt seine besten Krisen-Tipps im Interview.

Mit diesen Tipps kommt ihr als Freelancer besser durch Krisenzeiten…

Christoph, wie kommt man denn als Freelancer am besten durch eine Krise? Gibt es eine Strategie, die besonders gut ist in Zeiten wie diesen?

In meinen Augen ist das Wichtigste, dass man als Freelancer (oder als Unternehmer generell) nicht einfach denkt „Alles ist in Ordnung!“, wenn es keine Krise gibt. Viele sogenannte Experten reden immer davon, dass man sich spezialisieren soll. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch richtig. Wenn es allerdings dazu führt, dass ich von einigen wenigen, oder sogar einem einzigen Kunden in einer einzigen Branche abhängig bin, dann ist die Spezialisierung in meinen Augen eine Katastrophe.

Ich würde beim Aufbau des Business darauf achten, dass ich diversifiziert bin. Und das gleich auf mehreren Ebenen: Erstens sollte ein Kunde niemals mehr als 50 Prozent meines Geschäfts ausmachen. Am besten ist es, wenn jeder einzelne Kunde ausreicht, um wenigstens ein „Rumpfleben“ zu finanzieren. Also quasi die Grundausgaben mit jeweils einem Kunden gedeckt sind. Das funktioniert sicher nicht sofort und in jeder Branche und jedem Geschäftszweig. Wenn es nicht umsetzbar ist, sollte ich dafür sorgen, dass wenigstens jede Branche dafür gut ist, mein Überleben zu sichern.

Zweitens sollte ich in den Branchen breit aufgestellt sein. Natürlich kann ich im Rahmen meiner Tätigkeit sehr stark spezialisiert sein, sollte dann aber darauf achten, dass ich in möglichst unterschiedlichen Branchen tätig bin. Ein krasses Beispiel wäre, für ein Unternehmen, das vegane Lebensmittel produziert, tätig zu sein und gleichzeitig für ein Unternehmen im Bereich Bekleidung aus Lederwaren zu arbeiten. Dann hast Du sowohl unterschiedliche Märkte als auch sehr stark entgegengesetzte Lebenseinstellungen im Portfolio. Das Beispiel dient selbstverständlich nur der Verdeutlichung und ist kein Aufruf, sich entgegen seiner eigenen Überzeugung zu verkaufen!

Um es kurz zusammenzufassen: Sorge für eine Diversifizierung bei Deinen Kunden in Bezug auf die Branchen und dafür, dass Du nicht nur von einem Kunden oder einer Branche abhängig bist!

Welche Maßnahmen kann man als Freelancer sofort in die Tat umsetzen, wenn man merkt, es wird jetzt eng?

Eigentlich ist es zu spät, wenn man merkt, dass es eng wird. Du musst als Freelancer immer einen Ticken im Voraus arbeiten. Ich habe schon unzählige Fälle gesehen, in denen der Freelancer plötzlich von einer Kündigung überrascht wurde. Und dann gibt es eben zwei Szenarien: Entweder ich bin bereits darauf vorbereitet und es bedroht meine Existenz nicht, oder ich bin als Einzelkämpfer am Boden.

Für die Vorbereitung empfehle ich zwei Dinge: Erstens muss man natürlich Rücklagen aufbauen. Denn es kann immer sein, dass man plötzlich ohne Einkommen dasteht. Sei es durch unvorhergesehene Ereignisse, oder aber durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Du solltest als Einzelkämpfer immer in der Lage sein, mindestens ein halbes Jahr ohne Einkommen durchzukommen. Das ist natürlich am Anfang schwer, sollte aber direkt ab Eröffnung Deines Business eingeplant sein. Jeder Freelancer legt Geld für die Steuer zurück (zumindest sollte er das tun), aber was ist mit dem eigenen Einkommen in einer Zeit, wenn es grad nicht gut läuft? Besser heute etwas sparsamer, dafür später weniger Stress.

Und zweitens muss ich in der Lage sein, sofort auf Angriffsmodus zu schalten: Ich brauche neue Kunden! Also raus aus dem Sessel und los geht´s!

Irgendwann und irgendwie habe ich meinen ersten Kunden gewonnen. Was habe ich dafür getan? Oft ist es so, dass der erste Kunde der alte Arbeitgeber war. Dann sollte man schauen, wie man zu weiteren Kunden gekommen ist. Was einmal funktioniert, funktioniert auch zweimal. Das Wichtigste in einer Situation, wenn es richtig eng wird, ist, nicht aufzugeben. Wenn alle anderen aufgeben, musst Du Deine Aktivitäten erhöhen, verdoppeln, verdreifachen, verzehnfachen!

In diesem Moment würde ich auch schauen, ob meine anderen Auftraggeber einen Moment warten können. Nicht alle Aufträge sind superdringend. Die freie oder gewonnene Zeit sollte in jedem Fall in den Aufbau neuer Geschäftskontakte gesteckt werden.

Ich würde da auch keine Kontaktmöglichkeit von vorneherein ausschließen: Persönlich, Telefon, Brief, Email, Onlinewerbung… es gibt unzählige Möglichkeiten. Nutze sie am besten alle!

Wie kommunizieren Freelancer in der Krise am besten mit ihren Auftraggebern? Wie hält man die Auftraggeber?

Es kommt darauf an, wie die Krise den Auftraggeber getroffen hat und in welcher Funktion ich als Freelancer tätig bin. Wenn der Kunde in der Krise selbst stark ist, wird er sich freuen, wenn ich als Freelancer meinen Aufwand vielleicht sogar erhöhe. Wenn das Unternehmen selbst leidet, wird es früher oder später das schwächste Glied treffen. Im schlimmsten Fall bin ich das als Freelancer.

Ich persönlich würde meinen Auftraggeber also genauso ermutigen, jetzt mehr Gas zu geben, wie ich es bereits für die eigene Akquise beschrieben habe. Die meisten genialen Ideen hat man doch dann, wenn man Druck hat. Wenn Du zuhause hockst und alles ist prima, warum solltest Du Dich dann bewegen? Wenn der Auftraggeber Dich aber partout nicht beschäftigen will oder kann, würde ich ihm persönlich keine Träne nachweinen. Reisende soll man nicht aufhalten und offensichtlich stimmt da generell etwas nicht.

Wenn Du Dich ordentlich aufgestellt hast, kann Dich der Verlust eines einzigen Kunden nicht schädigen. Selbst bei zwei oder drei Kunden wirst Du zwar wesentlich mehr Zeit und weniger Geld zur Verfügung haben, es sollte Dich aber nicht so hart treffen, dass Du Dein Leben nicht mehr finanziert bekommst. Denk daran, was ich vorhin gesagt habe: Jeder Kunde muss alleine für den Lebensunterhalt ausreichend sein.

Wenn man die Krise überstanden hat, wie kann man als Freelancer vorbeugen, damit einen die nächste Krise nicht mehr so hart trifft?

Im Grunde genommen geht es genauso, wie ich das bei der ersten Frage beschrieben habe: Ich muss mich breit aufstellen. Dazu gehört zum einen die Akquise. Ich sollte immer in der Lage sein, möglichst schnell neue Kunden gewinnen zu können. Wenn ich eher dauerhafte Geschäftsbeziehungen habe und bereits ausgelastet bin, macht es wenig Sinn, wenn ich jetzt neue Kunden dazugewinne. Aber ich sollte wissen, wie es geht. Du solltest also einen Plan dafür in der Schublade haben, mit dem Du Dich wohlfühlst.

Dann sorg dafür, dass jeder einzelne Kunde für Dich so wertvoll ist, dass er allein für Deine Ausgaben ausreicht. Natürlich muss das nicht Champagner und Kaviar sein, aber für ne Stulle mit Brot sollte es passen. Das Notwendigste muss bezahlt sein. Ich empfehle, dass Du mit mindestens drei Kunden arbeitest. Wenn die Natur Deiner Aufträge eher wenig Einkommen je Auftrag produziert, achte darauf, dass Du Dich auch in den Branchen breit aufstellst. Das sollte man generell tun: Jeder Kunde aus einer anderen Branche wäre ideal.

Das Wichtigste aus meiner Sicht ist aber, dass Du Dir Rücklagen schaffst. Wenn Du immer für ein halbes Jahr oder sogar noch länger Geld auf dem Konto hast, kannst Du auch Deinen Kunden gegenüber anders auftreten und musst nicht jeden Unsinn mitmachen. Es gibt Dir ein gutes Gefühl und vor allem eine gewisse Unabhängigkeit. Und gerade die ist es ja, die Dich zum Freelancertum gebracht hat.

Über den Interviewpartner:

Christoph Gruhn

Christoph Gruhn ist Experte für Email Marketing, Virtuose für spannende Texte und Spezialist für plattformübergreifende Marketingkonzepte. Sein Credo: „Es ist egal, was ich gut finde, solange die Kunden meiner Kunden es lieben und kaufen!“ Getreu diesem Motto verbindet er Online-Strategien mit denen des klassischen Vertriebs und sucht für seine Auftraggeber immer den besten Weg.

Im Zuge der Corona-Krise ist er als Initiator für das ehrenamtliche Hilfsnetzwerk Soforthilfe für Unternehmen verantwortlich. Gemeinsam mit über 200 Experten hilft er Unternehmern, die von Schließungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betroffen sind. Für mehr Unterhaltung sorgt Christoph Gruhn auf seiner Webseite: https://christoph-gruhn.com/

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