Im Juli war Sandra Löhning aus dem Partnermanagement der exali AG zu Gast bei einem Webinar von Uplink und sprach dort über ein aus meiner Sicht sehr bedeutsames Thema: Psychische Gesundheit bzw. Mental Health und warum es nicht nur für dich als Person, sondern auch für dein Business wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen.
Ich komme noch aus einer Generation, in der über Themen wie psychische Gesundheit, Work-Life-Balance, Stressreduktion nicht gesprochen und Krankheiten wie Depressionen, Burn Out etc. noch als persönliches Versagen gehandelt wurden. Was natürlich, um das an dieser Stelle ganz klar zu sagen, nicht nur vollkommener Blödsinn ist, sondern auch potenziell lebensbedrohlich. Um das zu veranschaulichen, möchte ich mit dir einmal die Daten auf einer Übersichtsseite zum Thema Suizid von der deutschen Depressionshilfe teilen:
Diese Statistik zeigt sehr deutlich: Mental Health ist nicht nur wichtig, es kann auch überlebenswichtig sein! Gerade deshalb finde ich das Webinar, in dem Nick Oestreich vom Freelancer-Netzwerk Uplink und Sandra Löhning über Mental Health sprechen so wichtig. Einige Punkte daraus möchte ich deshalb um meine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke ergänzen. Das komplette Video des Webinars kannst du dir außerdem hier ansehen:
Das klingt so logisch, ist aber oft sehr schwierig. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der Spruch „Ich arbeite selbst und ständig“ nicht von ungefähr kommt – und das nicht nur am Anfang der Selbständigkeit. Als Freelancer:in oder Selbständige:r hast du ein ganz anderes Verhältnis zu deiner Arbeit – es ist nicht einfach ein Job, bei dem du nach acht Stunden den Stift fallen lässt und nach Hause gehst. Dein Business ist Teil deiner Identität und deines Privatlebens und es fällt mir bis heute oft schwer, das wirklich zu trennen.
Doch gerade weil wir Selbständigen uns so sehr mit unserem Business identifizieren und die Grenzen von Arbeit und Freizeit verschwimmen, finde ich den Punkt der Selbstfürsorge umso wichtiger. Denn eines darfst du nie vergessen: Die wichtigste Ressource für dein Business bist du selbst. Ich habe mir im Laufe der Jahre einige Strategien angeeignet, die es zumindest manchmal leichter machen, auf sich selbst zu achten.
Nicht umsonst betonen Managerzeitschriften, selbsternannte Coaches in sozialen Netzwerken und Ratgeberbücher immer wieder die Bedeutung von Routinen. Tatsächlich wirken sich Routinen positiv auf die psychische Gesundheit aus, zum Beispiel sorgen sie für:
Leider ist es, wie schon im Webinar erwähnt, oft schwer, sich nicht von der Fülle an Ratschlägen und Möglichkeiten erschlagen zu lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du mindestens einen der folgenden Ratschläge schon einmal gehört hast:
Die Liste ließe sich sicher noch lange fortsetzen. Die Frage ist nun: Welche dieser Tipps soll ich in meinen Alltag integrieren? Die Antwort: So viele oder so wenige, wie du möchtest – du kannst dir auch deine eigene, individuelle Routine zusammenstellen. Übrigens: Der Mythos, dass nur Menschen, die möglichst früh aufstehen, erfolgreich sind, ist tatsächlich ein Märchen. Es gibt genug erfolgreiche Menschen, die ihren Tag nicht vor acht oder neun Uhr morgens beginnen, darunter zum Beispiel die US-Talkshow-Queen Oprah Winfrey.
Das Wichtigste beim Aufbau einer Routine ist die Konstanz – es dauert etwa 66 Tage, bis eine Gewohnheit entsteht. Deshalb mein Rat: Beginne langsam mit ein oder zwei Veränderungen und erst, wenn du diese für etwa drei Monate kontinuierlich etabliert hast, fange an, eine neue Gewohnheit in deine Routine einzubauen.
Wer ständig Vollgas gibt, brennt schnell aus. Deshalb ist es wichtig, sich regelmäßig Pausen zu gönnen – insbesondere an stressigen Tagen. Eine Entschleunigung in Form eines Spaziergangs, einer Kaffeepause oder einer Meditation kann wahre Wunder wirken. Deshalb solltest du dir nicht nur regelmäßig Pausen gönnen, sondern diese auch aktiv in deinen Arbeitsalltag einplanen.
Fast genauso wichtig wie Pausen ist es, sich auch mal mit etwas anderem als dem eigenen Business zu beschäftigen. Meine Strategie dabei ist zum Beispiel, im Urlaub komplett vom Bildschirm zu verschwinden. Wenn ich mit dem Motorrad durch Afrika fahre oder mit dem Allradwohnmobil auf dem Balkan unterwegs bin, ist es ziemlich schwierig, E-Mails zu beantworten oder geschäftliche Anrufe entgegenzunehmen.
Aber es muss ja nicht gleich Urlaub sein – auch so versuche ich mittlerweile, Privates und Berufliches zu trennen. Eine gute Möglichkeit ist für mich Sport – ich gehe mehrmals die Woche laufen und habe vor kurzem mit Personal Training begonnen. Während der anstrengenden Trainingseinheiten sind die Gedanken an die Arbeit wirklich weit weg.
Dieser recht einfach klingende Ratschlag ist meiner Erfahrung nach besonders am Anfang der Selbstständigkeit oft der schwierigste. Denn natürlich geht es in erster Linie darum, Geld zu verdienen, und das verleitet gerade in der Anfangsphase dazu, einerseits mehr Arbeit anzunehmen, als du bewältigen kannst, und andererseits bei der Preisgestaltung noch nicht das nötige Selbstvertrauen zu haben. Die Folge: Du nimmst weniger Geld ein, als du brauchst, und das führt dazu, dass du mehr Arbeit annimmst, als du bewältigen kannst.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass du dir VOR dem Start in die Selbständigkeit überlegst, wie du leben willst (wie viele Stunden du pro Woche arbeiten willst, wie viele Tage Urlaub du pro Jahr machen willst usw.) und wie viel du verdienen willst. Nicht umsonst sind diese beiden Fragen für die Berechnung deines Stundensatzes von entscheidender Bedeutung. Wichtig ist auch, dass du mit einem finanziellen Polster in die Selbständigkeit startest, um gerade am Anfang die eine oder andere Flaute überbrücken zu können.
Tipp: Victoria Ringleb, Geschäftsführerin der AGD – Allianz deutscherr Designer – sprach im Interview mit exali darüber, warum das Thema Stundensatzkalkulation so wichtig ist und wie du Preise gut an deine Kundinnen und Kunden kommunizierst. Das komplette Interview findest du hier: Stundensatzkalkulation – Tipps von Expertin Victoria Ringleb.
Dieser Punkt gehört eigentlich auch zum Thema „Auf sich selbst achten“, ist aber aus meiner Sicht noch einmal gesondert zu erwähnen, denn: Viele psychische Probleme äußern sich tatsächlich zuerst in körperlichen Symptomen. Erkrankungen wie Burn-out, Depressionen oder Angstzustände werden nicht selten von körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Verdauungsproblemen oder auch einem Ziehen in der Brust begleitet. Gerade bei der Volkskrankheit Rücken ist inzwischen bekannt, dass Stress Rückenbeschwerden verstärken kann.
Deshalb ist es wichtig, auf deinen Körper und vor allem auf Warnsignale zu achten – besonders, wenn du bestimmte Beschwerden vorher nicht oder nicht so häufig hattest. Könnte es sein, dass deine Kopfschmerzen damit zusammenhängen, dass du in den letzten vier Tagen durchschnittlich zwölf Stunden gearbeitet hast? Sind deine Rückenschmerzen möglicherweise auf Stress durch zu viel Arbeit zurückzuführen?
Leidest du plötzlich vermehrt unter Sodbrennen oder Verdauungsproblemen? All das können Anzeichen für zu viel Stress sein, die sich in körperlichen Symptomen äußern. Natürlich würde ich bei länger anhaltenden Beschwerden immer dazu raten, diese von einem Arzt abklären zu lassen und unabhängig davon regelmäßig zur Vorsorge zu gehen.
Tipp: Meditation und Achtsamkeitstraining sind mehr als nur Buzzwords – tatsächlich gibt es wenig, dass bei Stressreduktion besser hilft als meditieren. In diesem Artikel habe ich mich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt und auch zwei Apps getestet, die Meditationen und Achtsamkeitskurse anbieten: Meditations -Apps – ein sinnvolles Angebot?
Diese Lektion musste ich selbst lange Zeit immer wieder lernen, bis ich sie schließlich verstanden habe. Gerade als Freelancer:in, wenn du in verschiedenen Projekten oder in verschiedenen Projektphasen steckst (ein Projekt steht kurz vor der Abgabe, ein Projekt startet demnächst und für ein anderes befindest du dich gerade in Verhandlungen mit den Auftraggeber:innen), verleitet es dazu, alles gleichzeitig machen zu wollen. Tatsache ist: Das funktioniert nicht. Wer mehrere Dinge gleichzeitig machen will, schafft in der Regel an diesem Tag wenig bis gar nichts.
Besser ist es daher, die Aufgaben zu priorisieren. Hier finde ich den Tipp von Nick Oestreich im Webinar sehr hilfreich: Nimm dir eine bestimmte Anzahl von Aufgaben vor, die du – realistisch gesehen – heute erledigen kannst und vor allem: Priorisiere die Reihenfolge, in der du sie erledigen willst. Mein Tipp wäre hier, die unangenehmste Aufgabe zuerst zu erledigen, denn die wirst du am ehesten aufschieben. Wenn du das geschafft hast, was du dir für den Tag vorgenommen hast, und du noch Energie und Zeit übrig hast, kannst du überlegen, ob es noch andere Aufgaben gibt, die du an diesem Tag erledigen kannst – oder du gönnst dir einen frühen Feierabend.
Zum Monotasking gehört übrigens auch, andere Ablenkungen wie E-Mails oder Anrufe zu minimieren. Meine Empfehlung: Statt mit ständig geöffnetem Mailprogramm und Smartphone neben dem PC zu arbeiten, plane lieber feste Zeiten ein, in denen du sowohl deine E-Mails als auch mögliche Anrufe oder Nachrichten checkst.
Je nachdem, wie häufig dich Auftraggeber:innen kontaktieren, kann das zum Beispiel stündlich, zweistündlich oder auch nur vier Mal am Tag sein. Wenn du dein E-Mail-Programm außerhalb dieser Zeiten schließt und dein Telefon auf lautlos stellst, minimierst du Ablenkungen und kannst dich besser auf die Aufgabe konzentrieren, an der du gerade arbeitest.
Tipp: Viele Freelancer:innen und Selbständige kämpfen mit einer sehr menschlichen Eigenschaft: Dem Aufschieben von eher ungeliebten Aufgaben. Wenn dies allerdings dazu führt, dass sich die Arbeit auftürmt und du Gefahr läufst, wichtige Deadlines zu verpassen, können dir diese Tipps helfen: Tipps gegen Aufschieben – diese Strategien helfen wirklich
Um deinen Arbeitsalltag besser zu strukturieren, kann es auch sinnvoll sein, deine Woche – oder deinen Tag, je nach Tätigkeitsbereich – in Blöcke einzuteilen. Ich mache das zum Beispiel, indem ich zum einen fixe wöchentliche oder monatliche Termine mit Mitarbeitenden habe – etwa Jour Fix mit Teamleiter:innen, Führungskräfte-Meeting oder auch die monatliche Planung der Inhalte für die exali News & Stories mit der Redaktion.
Stehen größere Termine wie Events, Projektabschlüsse oder etwa die Aufsichtsratssitzung an, blocke ich mir auch meist vorab halbe oder sogar ganze Tage in denen ich mich vorbereite oder aber Absprache mit den jeweiligen Teams halte.
Mein Rat für Freelancer:innen wäre, dir neben der täglichen Planung auch einen Wochenplan zu überlegen, den du in grobe Blöcke einteilst wie: Arbeit an Projekten, Kundenakquise, Buchhaltung, Social Media und so weiter.
So hast du immer einen groben Plan dazu, wie viel Zeit du pro Woche für welche Tätigkeiten aufwenden möchtest und kannst auch Termine besser an Auftraggeber:innen, Kooperationspartner:innen und so weiter kommunizieren. Übrigens ist es hier zudem sinnvoll, nicht nur Aktivitäten, sondern auch Pausen mit einzuplanen.
Tipp: Für Tätigkeiten wie Buchhaltung, Terminplanung, Aufgaben-Management und so weiter gibt es mittlerweile einige gute Tools, die dich als Freelancer:in bei deiner Arbeit unterstützen können. In diesem Artikel stelle ich dir einige davon vor: 25 nützliche Tools für Freelancer:innen
Der Punkt Wochenplanung bringt mich auch gleich zum nächsten: Kommunikation. Denn eine gute Planung nützt nichts, wenn du sie ständig über den Haufen wirfst, sobald eine Kundenanfrage kommt. Damit meine ich nicht, dass du völlig starr und unflexibel an deinem Plan festhalten sollst – es gibt immer wieder Situationen, in denen sich ein bisschen Flexibilität auszahlt – aber deine Planung ständig über den Haufen zu werfen, ist ebenso kontraproduktiv. Hier gibt dir deine Wochenplanung zusätzlich eine gewisse Sicherheit, da du den Kundinnen und Kunden eine Alternative anbieten kannst – am besten zu einem Termin, der besser in deine Planung passt.
Es gibt Situationen, in denen du einfach das Maximum dessen erreicht hast, was du tun kannst. Gerade als Freelancer:in magst du jetzt vielleicht versucht sein, Anfragen dennoch anzunehmen – schließlich bedeuten Aufträge auch Umsatz. Damit tust du aber nicht nur dir selbst keinen Gefallen, sondern auch deinen Auftraggeber:innen, denn Stress und Zeitknappheit sorgen in der Regel nicht für die besten Ergebnisse. Deshalb: Wenn du merkst, dass die Kapazität an Aufträgen, die du annehmen kannst, erreicht ist, musst du auch mal Anfragen ablehnen.
Tu dies freundlich und vor allem ehrlich – deine Kundinnen und Kunden werden es zu schätzen wissen. Du kannst auch einen Zeitraum nennen, in dem du wieder mehr Kapazitäten hast, falls der Auftrag etwas warten kann. Oder du verweist die Interessent:innen an Freelancer:innen aus deinem Netzwerk – diese werden das sicher dankend annehmen und sich bei Gelegenheit revanchieren.
Tipp: Gute Organisation und Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil eines erfolgreichen Business‘. In diesem Artikel habe ich einige Strategien dafür zusammengestellt: Auftragsmanagement für Freelancer:innen
Mein Fazit zum Thema psychische Gesundheit fällt ähnlich aus wie das von Nick Oestreich und Sandra Löhning im Webinar: Mental Health ist wichtig – für Freelancer:innen und Selbständige ebenso wie für Angestellte. Wer auf sich und die eigene psychische Gesundheit achtet, ist in der Regel auch leistungsfähiger und damit produktiver. Was ich noch einmal besonders betonen möchte, ist der Aspekt der Individualität: Nicht jede Strategie funktioniert für jede:n. Was gut für dich und deine Psyche ist, musst du selbst herausfinden.
Vielleicht geht es dir wie mir und du kannst mit einer Morgenroutine, bei der du um 5 Uhr morgens bei Wind und Wetter joggen gehst, nichts anfangen. Und das ist in Ordnung. Ich laufe lieber abends nach der Arbeit eine Runde an der Wertach in Augsburg und bin danach viel entspannter und vor allem besser gelaunt, als wenn ich das um 5 Uhr morgens gemacht hätte.
Insgesamt finde ich es aber sehr wichtig und richtig, über das Thema Mental Health auch im unternehmerischen Kontext zu sprechen. Die stetig steigenden Zahlen von Menschen, die aufgrund von Stress und psychischen Erkrankungen arbeitsunfähig werden, sollten uns allen ein Warnsignal sein.
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