Hintergründe

Warum es bei OnlyFans eigentlich um etwas ganz anderes geht als Pornografie

OnlyFans sorgte Ende August 2021 für Protest in den sozialen Netzwerken. Der Grund: Die Plattform verkündete in einem Statement, ab 01. Oktober 2021 pornografische Inhalte zu verbieten. Tatsächlich ging es dem Portal dabei aber nicht, wie viele Medien titeln, darum „das Schmuddelimage“ loszuwerden, sondern um knallharte Zensur. Allerdings nicht durch OnlyFans, sondern durch Banken, bei denen das Unternehmen Konten betreibt. Die Tragweite dessen könnte viel weitreichender sein und hat gar nichts mit Pornografie zu tun.

OnlyFans wollte auf Druck von Banken pornografische Inhalte verbieten.

Sex sells – diesen Spruch kennen wir alle. Er wird gerne in der Werbebranche zitiert – und umgesetzt – und er hat schon lange auch seinen Weg in Online-Plattformen und Netzwerke gefunden. So auch zu OnlyFans, das du dir im Prinzip vorstellen kannst wie Social Media für Erwachsene. Grundsätzlich handelt es sich bei OnlyFans um eine Content-Sharing-Plattform: Über das eigene Profil können registrierte Nutzer:innen Inhalte posten – wer den Content sehen will, muss dafür bezahlen. Findest du ein Profil interessant, hast du als registrierte/r Nutzer:in die Möglichkeit, für unterschiedlich hohe monatliche Beträge unterschiedlich viel Zugriff auf die Inhalte des betreffenden Profils zu erhalten.

Sexarbeiter:innen und die Corona-Krise

Nun ist es zwar grundsätzlich so, dass auf OnlyFans unterschiedliche Inhalte vertreten sind – Künstler:innen oder Musiker:innen beispielsweise – aber der Großteil des Angebots besteht aus Erotik-Content. Eine Entwicklung, die vor allem durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie befeuert wurde. Warum? Weil vor allem Sexarbeiter:innen die Plattform für sich entdeckten. Anders als andere soziale Netzwerke erlaubte OnlyFans bisher sämtliche pornografischen Inhalte – egal ob Bilder oder Videos – und viele Sexarbeiter:innen, darunter Porno-Stars, Erotik-Models oder auch einige C-Promis, machten sich das zunutze.

Laut Angaben von Bloomberg wurden über OnlyFans knapp 2 Milliarden US-Dollar Umsatz generiert. Die Zahl der registrierten User stieg dabei von 30 Millionen registrierten Nutzer:innen im Mai 2020 auf über 130 Millionen im Juni 2021. Laut OnlyFans sind etwa 1,25 Millionen der Nutzer:innen Content Creator, die ihre geposteten Inhalte verkaufen. Im August 2021 schockte OnlyFans nun aber seine Community mit der Ankündigung, ab 01. Oktober 2021 pornografische Inhalte zu verbieten. Während es in Medienberichten noch um das vorhin schon zitierte „Schmuddelimage“ ging, hagelte es Kritik aus den sozialen Netzwerken, denn: Mit dem Verbot von Erotik-Content würde OnlyFans dem Großteil der Sexarbeiter:innen die neu entdeckte Einnahmequelle zerstören.

Wenn Banken das Internet zensieren

Der Shitstorm wurde schließlich so laut, dass die Plattform jetzt zurückruderte und das geplante Verbot erst einmal aussetze. Darüber hinaus erklärte OnlyFans, dass die Zensur pornografischer Inhalte nichts damit zu tun habe, dass man ein bestimmtes Image loswerden wolle – nein, es ging dabei um die Existenz der Online-Plattform selbst. So erklärte OnlyFans-CEO Tim Stokely der Financial Times, dass der Grund für die geplanten Änderungen tatsächlich massiver Druck seitens der Banken gewesen sei. Laut Stokely habe die Metro Bank bereits 2019 kurzfristig das Firmenkonto von OnlyFans geschlossen und auch JPMorgan Chase gehe „besonders aggressiv bei der Schließung von Konten von Sexarbeiter:innen“ und unterstützenden Unternehmen vor.

Das Thema ist nicht neu. 2014 etwa, wurde die Crowdfunding-Kampagne des Erotikmodels Eden Alexander gesperrt, mit der sie Geld für die medizinische Behandlung einer allergischen Reaktion auf ein Medikament sammelte. WePay, der Zahlungsdienstleister der Funding-Plattform begründete die Sperrung mit einem Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen, da dort explizit „Inhalte für Erwachsene oder ähnlicher Content, inklusive Darsteller:innen und ‚Cam Girls‘“ verboten sein. Wie ich (oder du) zum Thema Sexarbeit oder pornografischen Inhalten stehen, spielt hier keine Rolle. Fakt ist: Was hier seitens der Banken stattfindet, ist nichts anderes als Internet-Zensur – und dadurch effektiv auch die Hinderung an der Ausübung eines legalen Berufes.

Sexarbeit: Weiterhin ein Tabu-Thema

Es gibt kaum ein Thema, das so kontrovers ist wie Sexarbeit. So fordern etwa seit Jahren verschiedene feministische Organisationen, Prostitution illegal zu machen. Auf der anderen Seite stehen Sexarbeiter:innen wie Erotikmodels, Pornodarsteller:innen oder eben die ‚Cam Girls‘ (und Boys), die als selbstbestimmte Freelancer:innen ihrem Beruf nachgehen und dafür auch bezahlt werden möchten. Gerade OnlyFans ist in dieser Hinsicht eine recht gut aufgesetzte Plattform, da nur registrierte Nutzer:innen Inhalte sehen können und die Content Creator sehr frei entscheiden können, welche Inhalte sie zeigen. Dennoch: Auch OnlyFans hatte in der Vergangenheit Probleme mit illegalen Inhalten.

Bei Webseiten und Plattformen mit pornografischen Inhalten kommt es leider immer wieder vor, dass illegale Inhalte veröffentlicht werden. Dazu zählen beispielsweise Kinderpornografie oder Aufnahmen, die mit versteckter Kamera ohne Einwilligung aller Beteiligten entstanden sind. Erst 2020 geriet PornHub wegen genau solcher Inhalte massiv in die Kritik, was dazu führte, dass zahlreiche Zahlungsanbieter:innen, darunter auch Visa und Mastercard absprangen. Die Befürchtung von illegalen Geschäften dürfte sicher für viele Finanzunternehmen beim Ausschluss pornografischer Inhalte eine Rolle spielen. Gerade in USA ist außerdem unter Umständen das eher konservative Weltbild mit dafür verantwortlich. Fakt bleibt aber: Zwangspornografie oder Kinderpornografie ist nicht das Gleiche wie legale Sexarbeit.

Hausrecht oder Diskriminierung?

Der Verweis auf das „Hausrecht“ der Finanzinstitutionen greift daher aus meiner Sicht nicht, denn: Stell dir einmal vor, Nutzungsbedingungen einer Bank würden etwa „Inhalte, die sich mit Yoga beschäftigten, inklusive Yoga-Lehrer:innen“ verbieten. Den daraus resultierenden Shitstorm will ich mir gar nicht vorstellen. Der Vergleich kommt übrigens nicht von ungefähr, denn Yoga-Lehrer:innen – oder allgemein Fitnesstrainer:innen – befanden sich zu Beginn der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Schließungen in einer ähnlichen Situation wie Sexarbeiter:innen: Die bisherige Ausübung des Berufes war nicht möglich, weswegen Online-Alternativen gesucht wurden.

Anders als bei Sexarbeiter:innen hat aber vermutlich keine Bank den Online-Yogakurs als potenziell problematisch eingestuft. Der Punkt ist aber: Hätte eine Bank das getan, hätte sie der/dem Yogalehrer:in ebenso schnell die Möglichkeit zur Bezahlung der eigenen Tätigkeit entziehen können – und das ist ein Problem. Aus meiner Sicht brauchen alle Menschen eine verlässliche Möglichkeit, durch die sich für ihre Arbeit bezahlen lassen können. Welcher Arbeit sie nachgehen, sollte – solange es sich um eine legale Tätigkeit handelt – dabei keine Rolle spielen. Hat ein Finanzunternehmen aber die Macht, den Menschen diese Möglichkeit jederzeit zu entziehen, dann handelt es sich dabei um nichts anderes als eine äußerst wirksame Form von Zensur.

Eine Zensur, bei der letztlich Banken und Zahlungsvermittler bestimmen, welche Tätigkeiten und Inhalte erwünscht sind und welche nicht. Genau deshalb geht es bei der Geschichte mit OnlyFans für mich eigentlich nicht um pornografische Inhalte, sondern um Zensur und Selbstbestimmung. Denn: Wer sagt mir, dass es bei solchen Inhalten bleibt und es nicht morgen schon Yoga und übermorgen vielleicht Versicherungen als unliebsame Wettbewerber betrifft?

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