Als Unternehmer:in muss man offen sein, führen können, netzwerken und immer wieder von sich und seiner Geschäftsidee überzeugen. Das klingt erst einmal nicht unbedingt nach einem Tätigkeitsfeld für Introvertierte oder? Wie so oft trügt der Schein auch hier, denn: Auch wenn du nicht von Natur aus gerne das Rampenlicht suchst, kannst du als Selbständige:r erfolgreich sein – ich verrate dir, wie.
Wer ein eigenes Business auf die Beine stellen will, darf sich nicht im stillen Kämmerlein verstecken. Nicht nur in meiner Anfangszeit als Gründer gehörten regelmäßige Präsentationen, Kundengespräche, Vorträge auf Veranstaltungen und auch das gelegentliche Netzwerken zum festen Bestandteil meiner Arbeit. Auch jetzt, da mein Unternehmen auf sicheren Füßen steht, ist dies weiterhin gefragt. Wenn du jetzt sagst: „Oh nein, vor Menschen reden, Small Talk, Vorträge – das ist so gar nicht meins!“ möchte ich kurz intervenieren: Ich sehe mich selbst ebenfalls eher weniger als klassische „Rampensau“, die oft als Synonym für extrovertierte Menschen verwendet wird und ein bisschen Lampenfieber hab ich nach wie vor, wenn ich vor einer großen Menschenmenge sprechen muss . Trotzdem habe ich Mittel und Wege gefunden, mich als Unternehmer zu positionieren.
Erfolgreiches Business geht auch leise
Wenn jemand nicht lautstark für sich trommelt, wird das im Berufsleben (meiner Meinung nach vollkommen zu Unrecht) oft noch als Schwäche ausgelegt. Gerade im Gründungsbereich herrscht noch immer das Bild der weltgewandten Unternehmerin oder des Unternehmers, die/der sich permanent in den Vordergrund spielt und in den sozialen Medien omnipräsent ist. Wer da nicht reinpasst, hat oft das Gefühl, sich im Alltag verstellen zu müssen. Das ist anstrengend und auf Dauer ganz schön unbefriedigend.
Deshalb besteht der erste wichtige Schritt in die richtige Richtung darin, dir klarzumachen, dass dein eher ruhiges und zurückhaltendes Naturell kein Ausschlusskriterium für ein erfolgreiches Business ist. Viele große Persönlichkeiten, die die Welt verändern, sind nicht für ihre „Marktschreier“-Fähigkeiten, sondern ihre ruhige und zurückhaltende Art bekannt. Als Beispiel seien hier unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates oder auch unsere ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel genannt.
Introvertiert und extrovertiert – das große Missverständnis
Es gibt wenig Begriffe, die so konsequent falsch verstanden und verwendet werden, wie Introversion und Extraversion. Denn: Weder sind introvertierte Menschen scheue Gestalten, die sich am liebsten unter einem Tisch verstecken würden, statt mit ihrer Umwelt zu interagieren, noch ist jede:r Extrovertierte eine Rampensau. Tatsächlich bedeutet introvertiert übersetzt so viel wie „nach innen gerichtet“ und beschreibt damit die Tendenz Introvertierter, sich eher auf ihr Gefühlsleben zu konzentrieren, als auf ihren äußeren Auftritt. Wer introvertiert ist, ist auch nicht automatisch schüchtern – nur meist zurückhaltender und nicht unbedingt die/der Erste, der auf eine Bühne springt.
Extrovertiert dagegen bedeutet genau das Gegenteil: Also sich eher auf das äußere Auftreten zu konzentrieren als auf das innere Gefühlsleben. Beides hat Vor- und Nachteile. Introvertierte arbeiten beispielsweise in der Regel genauer und faktenbasierter – was aber dazu führen kann, dass sie sich im Perfektionismus verzetteln und Projekte nur schleppend oder gar nicht vorankommen. Extrovertierte dagegen sind oft enthusiastisch und präsentieren ihre Ideen, noch bevor deren Umsetzbarkeit wirklich durchdacht oder belegt ist – was zum gleichen Problem führen kann wie bei Introvertierten, nur eben aus einem anderen Grund. Du siehst also: Introversion muss kein Hindernis für ein erfolgreiches Business sein (ebenso wenig wie Extraversion, das sei hier noch angefügt).
Lesetipp: Ein Buch, dass die Unterschiede von introvertierten und extrovertierten Persönlichkeiten so umfassend wie kein anderes beschreibt und die Stärken von Introvertierten aufzeigt, ist „Still: Die Bedeutung von Introvertierten in einer lauten Welt“ von Susan Cain.
In der Ruhe liegt Kraft
Eine eher introvertierte Persönlichkeitsstruktur verschafft dir tatsächlich auch einige Vorteile:
- „Das haben wir schon immer so gemacht“ – dieser Satz hat in deinem Repertoire nichts verloren. Stattdessen denkst du tiefgreifend über Dinge nach und hinterfragst bestehende Strukturen, denn…
- …wie die meisten ruhigeren Menschen eignest du dir neue Kenntnisse auch gern in Eigenregie an und machst die Dinge erst einmal mit dir selbst aus, bevor du sie nach außen trägst und zu neuen Lösungen kommst. Übereiltes Vorpreschen? Nicht mit dir!
- Du bist realistisch. In deinem Business gibt es keine Übertreibungen oder Schönfärberei. Damit verhinderst du nicht nur, dass du dich in etwas verrennst und dabei wertvolle Ressourcen verpulverst. Du trittst außerdem bei deinem Team und deiner Kundschaft sehr authentisch auf. Das kommt gut an!
- Auch im zwischenmenschlichen Bereich kommt dir deine Ruhe zugute. Da du dich bei Unterhaltungen auch mal zurücknehmen kannst und genau über das Gehörte nachdenkst, bist du ein:e nahbare:r und empathische:r Gesprächspartner:in. Auch Diskrepanzen fallen dir schneller auf als anderen und du kannst zügig handeln, um sie aus der Welt zu schaffen.
Diese Punkte gelten bestimmt nicht im selben Maß für alle Menschen und auch lautere Naturelle verfügen mit Sicherheit bis zu einem gewissen Grad über diese Eigenschaften. Es handelt sich bei dieser Aufzählung einfach um wichtige Pluspunkte, die ich über die Jahre für mich ausmachen konnte.
Erfolgreich selbständig? – Sei du selbst!
Diese Überschrift mag für Manche:n nach Phrasendrescherei klingen. Doch Viele vergessen: Selbständigkeit ist nicht gleichbedeutend mit Selbstdarstellung! Natürlich musst du als Gründer:in, Unternehmer:in oder Freiberufler:in sichtbar sein, aber das geht tatsächlich auch ohne lautstarkes, überdrehtes Marketing, kräftezehrendes Dauernetzwerken oder den Sprung vor jede Kamera.
Zeige dich (zu deinen Bedingungen)
Das Schöne am eigenen Business ist: DU machst die Spielregeln. Also warum suchst du dir nicht eine Art der Präsenz, die zu dir passt? Experimentiere mit verschiedenen Marketinginstrumenten, um sichtbar zu werden. Wenn man von selbst eher weniger die große Bühne sucht, ist Content Marketing eine tolle Sache, um sichtbar zu werden. Dabei kannst du aus einer Bandbreite an Formaten wie etwa Blogs, Fachartikel, Podcasts oder Videos wählen.
Tipp: Content is King! Unternehmen, die sich in unserer digitalisierten Welt behaupten wollen, müssen mit guten Inhalten auf sich aufmerksam machen. Warum das so ist und wie das geht, beleuchte ich im Artikel Warum dein Business guten Content braucht – und wie ein Team dabei hilft.
Ich habe mich zum Beispiel für diesen Blog entschieden, weil er ein wunderbares Instrument ist, um strukturiert, übersichtlich und in meinem eigenen Tempo meine Gedanken zu Themen darzulegen, die mir am Herzen liegen. Die exali-Redaktion produziert regelmäßig spannende Fachartikel und Videos.
Bist du dir im Umgang mit diesen Formaten anfangs noch etwas unsicher, hol dir eine:n Sparringspartner:in, die/der dir bei der Contentproduktion zur Seite steht, zum Beispiel als Interviewpartner:in in einem Video.
Schraube deine Ansprüche herunter
Ich finde es noch immer seltsam, mich selbst in Videos zu sehen beziehungsweise zu hören. Trotzdem überwinde ich mich regelmäßig, gebe Interviews oder spreche auf Veranstaltungen. Doch aller Anfang ist schwer. Gerade zu Beginn der Selbständigkeit erscheint nichts gut genug, Aufnahmen wirken zu ungelenk, Interviews verkrampft. Da veröffentlicht man lieber gar nichts, oder? Lass dich von diesem Perfektionismus bloß nicht ausbremsen!
Hier ein Alternativvorschlag: Fang an. Bereite dich ruhig umfassend vor, aber dann komm ins Tun. Gib das Interview. Lade das Video hoch. Poste die Story. Auf diese Weise holst du dir Feedback, lernst Schritt für Schritt dazu und kannst dich weiterentwickeln. Sich dem Urteil der breiten Masse auszusetzen, kann beängstigend sein – ist für deine Weiterentwicklung aber unverzichtbar. Übrigens: Vermeintliche Unzulänglichkeiten, die dir selbst wie ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg zur erfolgreichen Selbständigkeit vorkommen, werden deinem Umfeld oft gar nicht groß auffallen.
Unverkrampft netzwerken
Ein Raum voller Leute und jede Menge Smalltalk – gerade für eher introvertierte, zurückhaltende Menschen sieht so die Hölle aus. Ich bin selber auch kein Freund oberflächlicher Unterhaltungen. Doch auch wenn diese seichten Gespräche nicht dein Steckenpferd sind, kannst du deine Kontakte erfolgreich pflegen. Bedenke: Du entscheidest, worüber du mit anderen sprechen möchtest. Stelle stattdessen zum Beispiel ganz gezielte Fragen. So machst du aus einer vermeintlichen Schwäche sogar noch einen Pluspunkt und pflegst dein Netzwerk noch besser und tiefgreifender. Wenn es dir jetzt noch gelingt, genauso aufmerksam zuzuhören, punktest du als angenehme:r Gesprächspartner:in.
Wie auch immer du diesen Punkt letzten Endes angehst – verbiege dich nicht! Menschen bemerken Authentizität und werden dir deine Ehrlichkeit mit gleicher Münze zurückzahlen. Auf diese Weise kannst du dir hoffentlich ein Netzwerk aufbauen, ohne dich übermäßig unwohl zu fühlen.
Sei unbequem
Als Unternehmer:in wirst du immer wieder vor der Herausforderung stehen, unpopuläre Entscheidungen treffen zu müssen. Ob Anweisungen, die im Team nicht gut ankommen oder das Ablehnen einer Kundenanfrage – manche Gespräche sind unschön, aber notwendig. Um diese Konfrontationen zu identifizieren trägt jeder von uns praktischerweise ein gutes Instrument bei sich: Den eigenen moralischen Kompass. Frage dich, wie du dich verhalten musst, damit du am Abend noch in den Spiegel sehen kannst.
Du hast die Chance auf einen lukrativen Auftrag, aber dein Team ist ohnehin schon überlastet und wird sich der Arbeit kaum mit Herz und Verstand widmen können? Dann solltest du die Anfrage im Zweifelsfall lieber ablehnen. Oder ein Teammitglied benimmt sich immer wieder daneben und zieht die anderen mit runter? Dann ist es an dir, als Chef:in greifbar zu sein und ein Machtwort zu sprechen. Das mag auf den ersten Blick unangenehm sein, aber ich kann dir versichern: Deine Mitarbeiter:innen werden es dir danken.
Auf diese unangenehme Seite des Unternehmertums könnten wir wahrscheinlich alle erst einmal verzichten. Doch auch wenn solche Erfahrungen erstmal für Wachstumsschmerzen sorgen, sind sie unumgänglich, wenn du dich und dein Business weiterentwickeln möchtest. Der einfache weg ist dabei nicht immer der richtige. Und ohne Integrität steht dein Unternehmen ohnehin auf wackeligen Füßen.
Jede Selbständigkeit ist anders
Ich hoffe, mein Beitrag hat dir eines klar gemacht: Der Traum vom eigenen Business ist auch dann für dich erreichbar, wenn du nicht die große Bühne suchst. Triff deine Vorbereitungen, aber dann hab den Mut, deine Ideen in der Praxis auszutesten, Expertenmeinungen einzuholen und auch mal Rückschläge in Kauf zu nehmen. Dieser Realitätscheck ist unumgänglich, wenn deine Geschäftsidee Wirklichkeit werden soll. Deine Selbständigkeit gibt dir einen großen Gestaltungsspielraum. Nutze das als Triebfeder, um deinen eigenen Weg zu finden – dann hast du eine reelle Chance auf Erfolg.
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