Kaum eine App fing den Zeitgeist unserer pandemiegebeutelten Gesellschaft so gut ein, wie Clubhouse. Nach über einem Jahr am Markt stelle ich mir aber allmählich die Frage, ob das Unternehmen seine Position halten oder vielleicht sogar noch ausbauen kann. Deshalb sehe ich mir die Entwicklung des Startups und die Erkenntnisse, die sich daraus ziehen lassen, in diesem Artikel genauer an.
Erst einmal zum Grundlegenden: Clubhouse ist ein kostenloses, soziales Netzwerk, das komplett auf das Audioformat setzt. So können Menschen in virtuellen Räumen über verschiedene Themen sprechen. Einige übernehmen dabei die Rolle des Moderators oder der Moderatorin oder besetzen den Part der Sprecher:innen und geben ihr Wissen an das Publikum weiter. Mitgliedern dieses Publikums steht es frei, ob sie den Diskussionen einfach nur lauschen oder sich aktiv beteiligen wollen.
Dass die Nutzung der App anfangs nur per Einladung durch eine:n andere:n User:in und nur für Apple-Nutzer:innen möglich war, schuf eine Exklusivität, die bei Vielen Begehrlichkeiten weckte – wer will schon etwas so Wichtiges verpassen? Prominente Nutzer:innen wie Joko Winterscheidt oder Palina Rojinski befeuerten den Wirbel um die App zusätzlich. Doch auf den Hype folgte schnell Kritik: Vor allem in Sachen Datenschutz generierte Clubhouse immer wieder Negativschlagzeilen – mit diesem Thema habe ich mich bereits in dem Artikel „Clubhouse und der Datenschutz“ ausführlich beschäftigt. Dazu kamen Vorwürfe von Hatespeech und Belästigungen der Nutzer:innen und im Juli 2021 wurden 3,8 Milliarden Telefonnummern von angeblichen Clubhouse-Konten im Darknet zu Verkauf angeboten.
Auch wenn die Macher:innen der App immer wieder den Stellenwert von Datenschutz betonen, bereitet mir der Datenhunger des Unternehmens dennoch Kopfzerbrechen. Nach dem Herunterladen und Öffnen verlangt die App die Zustimmung der Nutzerin beziehungsweise des Nutzers, um auf deren/dessen gespeicherte Kontakte zugreifen zu können. Kontaktdaten deiner Familie und Bekannten können so ungewollt bei Clubhouse landen und auch für Marketing- und Werbezwecke verwendet werden. Ein Vorgehen mit erheblichen Sicherheitsrisiken und für mich Grund genug, mich bei der Nutzung von Clubhouse bisher noch zurückzuhalten. Hat der Hype also nun ein Ende?
Ausbremsen lassen wollen sich die Entwickler:innen der App von diesen Stolpersteinen jedoch nicht. Nach beendeter Beta-Phase ist jetzt keine persönliche Einladung von anderen Usern oder Userinnen mehr nötig, um Clubhouse nutzen zu können. Mitte Mai hielt die App auch im Google Play Store Einzug und ist damit ebenfalls für das Betriebssystem Android verfügbar. Böse Zungen behaupten, diese Maßnahme soll den rückläufigen Downloadzahlen entgegenwirken. Noch im Februar 2021 stellte der Analysedienst Sensor Tower 9,6 Millionen Downloads fest.
Im April dagegen kam die App lediglich auf 900.000 Downloads. Da liegt der Schluss nahe, dass die Verfügbarkeit für Android die Trendwende bringen soll. Laut Unternehmensangaben brachte diese Maßnahme bisher sechs Millionen neue Nutzer:innen. Auch am deutschen Markt könnte die Öffnung für Android neue User:innen generieren. Das Betriebssystem hält hier einen Marktanteil von rund 70 Prozent. Bis April 2021 hatten gerade einmal vier Prozent der Deutschen Clubhouse heruntergeladen – das könnte sich nun ändern.
Mittlerweile hat das Interesse von Prominenten an der App nachgelassen. Ein Grund könnte sein, dass immer wieder Inhalte an die Öffentlichkeit gelangen, obwohl die Unterhaltungen in Clubhouse nicht aufgezeichnet werden. Doch auch hier gilt (genau wie in „echten“ Gesprächen): Erst nachdenken, dann reden! Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte sich gewaltig blamiert, als er in einem Gespräch zugab, sich die Zeit bei Ministerpräsidentenkonferenzen mit dem Spiel Candy-Crush zu vertreiben. Der Bundeskanzlerin verlieh er den Beinamen „Merkelchen“. Die Angst, sich in einem der virtuellen Gesprächsräume zu blamieren, wird also groß sein.
Doch was hält die breite Masse potenzieller Nutzer:innen davon ab, Clubhouse zu verwenden? Neben Sicherheitsbedenken könnte die Hemmschwelle auch eine gesellschaftliche Dimension haben: So hilfreich die App vielleicht auch in einsamen Lockdown-Tagen war – jetzt nimmt sie Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch, die Viele seit der Wiedereröffnung von Geschäften und Gastronomie lieber anderweitig verwenden. Clubhouse-User:innen bemängeln zudem das sinkende Niveau der Unterhaltungen. Auch bei der Auswahl der Themen herrscht wenig Vielfalt.
Wenn Viele deiner Idee folgen, kannst du getrost davon ausgehen, dass du bei deiner Zielgruppe einen Nerv getroffen hast. Das ruft aber auch Konkurrenz auf den Plan. Gleiches gilt für Clubhouse. Das Unternehmen hat inzwischen verstärkt mit Wettbewerbern und Wettbewerberinnen zu kämpfen, gegen die es sich deutlich abgrenzen muss. Twitter zum Beispiel will sich mit „Spaces“ sein Stück vom Kuchen sichern. Hier können User:innen ab 600 Followern und Followerinnen Gesprächsrunden erstellen. Facebooks Audioformat „Hotline“ befindet sich aktuell in der Testphase. Auch Spotify und Linkedin arbeiten an Live-Audio-Formaten.
Gerade Facebook und Twitter können auf eine Nutzerbasis in Millionenhöhe zurückgreifen, die gut untereinander vernetzt ist. Da drängt sich mir die Frage auf: Warum sollten diese User:innen sich plötzlich für eine andere Plattform entscheiden? Obwohl Clubhouse diese Vernetzung erst noch schaffen muss, gibt das Unternehmen sich dennoch optimistisch, gegen die Wettbewerber:innen bestehen zu können. Zu diesem Zweck ruft die App Nutzer:innen dazu auf, Adressbücher hochzuladen, um Bekannte in Gesprächsräumen zu finden. Ich halte das unter datenschutzrechtlichen Aspekten für äußerst fragwürdig – selbst wenn die Gründer:innen der App immer wieder betonen, dass Clubhouse auch ohne das Teilen von Kontaktdaten nutzbar ist.
Beim Umgang mit Rivalen stellt Clubhouse aber die meiner Meinung nach berechtigte These auf, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob ein Unternehmen das Audio-Format nur „nebenbei“ bedient oder sich vollständig darauf fokussiert. Dabei soll es nach Unternehmensangaben auch weiterhin nicht um Werbung gehen, sondern um die User:innen, die die Inhalte erstellen. Dafür kooperiert die App seit Juli mit der Innovationskonferenz Ted, um die eigenen kreativen Nutzer:innen mit den innovativen Köpfen der Konferenz zusammenzubringen.
Das Problem der schlechten Presse besteht aber weiterhin. Da hilft nur Transparenz – also den Fehler eingestehen, ausmerzen und klarstellen was man tun will, damit sich die Misere nicht wiederholt. Clubhouse gibt ganz offen zu, dass Hype und schnelles Wachstum anfangs für Überforderung gesorgt haben. Daher legt das Unternehmen den Fokus zurzeit vor allem auf den Bereich Infrastruktur sowie das Produkt an sich. Zumindest die Einladungshürde fiel wie angekündigt bis zum Sommer. Ebenfalls den Wünschen der User:innen entsprechend, ging im Juli das Direct-Messaging-System Backchannel an den Start, das sowohl 1:1-Gespräche als auch Gruppenchats ermöglicht.
Bei der Frage, welchen Weg Clubhouse mit seinem Geschäftsmodell künftig gehen möchte, wirken die Macher:innen der App noch ein wenig planlos. Angedacht ist wohl ein Revenue-Share mit Abo-Angeboten für die Hörer:innen sowie der Möglichkeit, ein Trinkgeld zu hinterlassen. Bleibt nur die Frage: Wie genau will Clubhouse selbst von diesem Modell profitieren?
Eines ist klar: Clubhouse bedient mit seinen Kommunikationsformen definitiv die Bedürfnisse unserer Zeit. Zusätzlich greift die App Themen wie Weiterbildung und Networking auf – beides ist in der Berufswelt so wichtig wie nie und dank des Audioformats finden auch weniger kommunikative Nutzer:innen schnell Anschluss an die Community. Mit abklingendem Hype bleibt abzuwarten, ob Clubhouse seine Position unter den Social-Network-Apps behaupten kann. Wenn die Macher:innen der App sich auf eine Marschrichtung einigen können und für Datensicherheit sorgen, stehen die Chancen dafür gar nicht schlecht.
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