Keywordanalyse, SEO-Schreibe, H2 Zwischenüberschriften und die magische 500 Wörter-Grenze: Journalisten mussten sich in den vergangenen Jahren dem Google-Algorithmus beugen, um möglichst viel Traffic auf die News-Seite zu bekommen. Viele kreative Köpfe sind den Weg – weg vom Selbstbild der Dichter und Denker, hin zum unglamourösen Marketinginstrument – nur mit viel Widerwillen gegangen. Doch nach der SEO-Revolution hat sich direkt die nächste Veränderung breit gemacht und sie fordert Journalisten noch einmal auf, ihr Handwerk dem Mainstream anzupassen.
Mein Fundstück ist in dieser Woche zur Abwechslung mal kein Business-Tipp sondern eine Statistik, die zum Nachdenken anregt und zeigt, wie sich die Anforderungen an News-Seiten in den vergangenen Jahren verändert haben.
Das Statistik-Portal Statista hat in einer aktuellen Studie den Referral Traffic von News-Seiten unter die Lupe genommen und damit mein Bauchgefühl der vergangenen Monate bestätigt. Soziale Netzwerke haben sich an die Spitze gekämpft, sie sind derzeit die wichtigste Quelle für Referral-Traffic auf News-Seiten.
Facebook schaufelt geradezu Nutzer auf die Seite, wer hier nicht mit zieht, hat als News-Seite den Anschluss verpasst. Seit 2012 haben sich soziale Netzwerke von Platz 3 der Traffic-Lieferanten an die Spitze gekämpft. Mit 43% liefern Facebook, Twitter und Co. inzwischen den Löwenanteil an Referral-Klicks.
Hinter den Prozentzahlen der Statistik steht eine Revolution, die vielen Journalisten – egal ob Freelancer, Blogger oder Selbständiger – sauer aufstößt. „Du wirst nie erraten was dann passiert“, „Die Reaktion ist echt unglaublich“, „So etwas hast du noch nie gesehen“ … Wer kennt sie nicht, die Social-Posts, die geradezu darum betteln, dass der neugierige User klickt. Auf Facebook wird mit jeder Menge Effekthascherreich um Interaktion gekämpft, Heftig.Co hat es vorgemacht und viele ziehen nach. Ich persönlich muss sagen, dass ich mir bei so offensichtlich aufgebauschten Facebook-Posts verar***t vorkomme und aus Prinzip nicht klicke.
Doch diese, meiner Meinung nach bedenkliche Entwicklung hin zum „Brot-und-Spiele-Prinzip“, hat in den Grundzügen einen nachvollziehbaren Kern. Die Statistik belegt die Bedeutung der sozialen Netzwerke für News-Seiten. Ein „Henri-Nannen-Preis“-verdächtiger Artikel bringt einer News-Seite keinen Gewinn, wenn er nicht geklickt wird. Doch der Konkurrenzdruck ist, besonders bei Facebook, hoch. Es ist schwer, die Aufmerksamkeit der übersättigten User zu wecken.
Ich versuche, zusammen mit meiner Redaktion von exali.de, immer ein gesundes Mittelmaß zu finden. Wir sitzen oft minutenlang über der Formulierung eines Facebook Posts. Denn einerseits soll er natürlich zum Klicken anregen, andererseits wollen wir unsere Integrität auch nicht für ein paar Klicks verkaufen.
Mit sozialen Netzwerken an der Spitze der Referral-Traffic-Lieferanten, müssen sich Journalisten und Blogger nun also nicht nur bei Google behaupten. Sie müssen zudem gegen die Partybilder vom letzten Wochenende, süße Katzenvideos und die besten DIY-Tipps auf den Pinnwänden sozialer Netzwerke bestehen.
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