Hintergründe

Warum Marketing mit politischen Statements nicht immer funktioniert

Russland führt Krieg gegen die Ukraine: Nur wenige Themen haben es seit 2020 geschafft, die allgegenwärtige Corona-Pandemie in den Medien so stark in den Hintergrund zu drängen. Neben durchaus wichtigen und sinnvollen Diskussionen und Aktionen gibt es aber leider auch hier einige „Trittbrettfahrer“, die die mediale Reichweite für ihre eigenen Zwecke verwenden wollen. Meiner Meinung nach sind politische Statements in der Unternehmenskommunikation aber nur dann eine gute Idee, wenn sie auch ernst gemeint sind.

Viele Politiker:innen, Unternehmen, Medien und Marken bekunden aktuell ihre Solidarität zur Ukraine.

Seit dem 24. Februar 2022 gibt es viele Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine – nicht nur von Politiker:innen und berühmten Persönlichkeiten, sondern auch von zahlreichen Unternehmen. Viele davon beteiligen sich an Hilfsprojekten und färben ihre Logos in den ukrainischen Landesfarben blau und gelb – meine eigene Firma, die exali AG eingeschlossen. Für mich persönlich war das eine Herzensangelegenheit. Zum einen, weil es bei exali einige ukrainestämmige Mitarbeiter:innen gibt, deren Familien und Bekannte direkt durch den Krieg betroffen sind, und zum anderen, weil ich grundsätzlich der Meinung bin, dass keine „Konfliktlösung“ den Tod von Menschen rechtfertigt.

Marketing und Werbung sind politisch geworden

Ich muss aber dennoch gestehen, dass ich trotzdem erst zögerte, zusätzlich zu meinen persönlichen Social-Media-Profilen auch die exali Firmen-Profile miteinzubinden. Warum? Weil es leider in den letzten Jahren immer häufiger vorkommt, dass politische oder gesellschaftliche Themen rein zu Marketing- oder Profilierungszwecken aufgriffen werden. Das beste Beispiel dafür ist aktuell wohl die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, die innerhalb von einem Tag von der Russland-Versteherin zur Ukraine-Unterstützerin mutierte. Wie glaubhaft dieser Wandel ist, fasste Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland in einem Tweet so zusammen: „Die Heuchelei ist zum Kotzen.“

Edward Snowden, der wohl berühmteste Whistleblower der Welt, entschied sich gegen Pro-Ukraine oder Anti-Russland-Äußerung. In einem Tweet schrieb er einige Tage nach dem Angriff Russlands, dass er die Situation zuvor komplett falsch eingeschätzt habe und deshalb jetzt erst einmal gar nichts mehr zu der aktuellen Situation sagen werde. Vielen war diese Aussage zwar zu lasch, aber immerhin ist sie ehrlich. Genau hier sehe ich auch das Problem, wenn politische oder gesellschaftliche Themen in die Markenkommunikation eingebunden werden: Wer Marketing mit Politik verbinden will, sollte darauf achten, dass es nicht nur bei einer Werbekampagne bleibt.

Regenbogen und Pride als Marketing-Tools

Eines der besten Beispiele für ein politisches und gesellschaftliches Thema, dass regelmäßig auch von Unternehmen aufgegriffen wird, ist LGTBQI*. Leider allzu oft aber nur mit bunten Bildern und wenig Substanz. Die Community kennt dieses Phänomen bereits so gut, dass sie ihm schon eine eigene Bezeichnung gegeben hat: Pinkwashing. Am schönsten zu beobachten ist es jedes Jahr im Juni – international der offizielle Pride-Monat –, wenn Unternehmen aufmerksamkeitswirksam ihre Logos regenbogenfarben einfärben, um so ihre Solidarität mit der LGTBQI*-Gemeinschaft zu zeigen. Meist aber nur in Ländern, in denen das Thema ohnehin bereits viel Unterstützung erfährt.

Die UEFA und das Pinkwashing zur Fußball-EM

Eines der schönsten Beispiele für Pinkwashing ist wohl das Vorgehen der UEFA zur Fußballeuropameisterschaft 2021. Nachdem Ungarn im Juli 2021 ein Gesetz zur Beschränkung der Informationen über Homosexualität und Transgender verabschiedet hatte, wollten viele die EM nutzen, um demonstrativ die Regenbogenflaggen zu hissen. So auch die Stadt München, die offiziell bei der UEFA anfragte, ob zum Spiel Deutschland gegen Ungarn die Allianz-Arena regenbogenfarben erstrahlen dürfe. Die UEFA lehnte das allerdings ab, da es die ungarische Regierung zu sehr verärgert hätte, färbte aber danach ihr eigenes Logo auch bunt. Glaubwürdig sieht anders aus.

Politik und Marketing funktioniert nur mit Ehrlichkeit

Ich finde: Wer wirklich politische Statements setzen will, der sollte das entweder konsequent tun – auch dort, wo es eventuell nicht erwünscht ist – oder es eben lassen. Ein schönes Beispiel für Konsequenz ist die REWE Group. Diese hat bereits 2013 das Mitarbeiter-Netzwerk „di.to“ (different together) gegründet, bei dem sich 170 Mitarbeiter:innen für mehr Toleranz und Akzeptanz am Arbeitsplatz einsetzen – unabhängig von der sexuellen Orientierung. Ein Nebeneffekt von di.to ist etwa, dass seit 2016 Märkte der REWE Group, darunter Penny, REWE oder Toom, mit Regenbogenflaggen ausgestattet werden. Darüber hinaus tritt di.to aber unter anderem auch als Sponsor des Christopher-Street-Day in verschiedenen Städten auf oder unterstützt einige queere Projekte.

Dass die Firmenpolitik der REWE Group kein Pinkwashing ist, zeigt sich vor allem dann, wenn sie in die Kritik gerät. 2016 gab es beispielsweise einen Shitstorm, weil Penny den Schoko-Zipfelmann ins Sortiment nahm. Zipfelmann statt Weihnachtsmann? Manch eine:r wähnte hier schon den Untergang des Abendlandes inklusive anstehender Zwangsislamisierung. Pennys Reaktion? 2017 gab es den Schoko-Zipfelmann dann im Regenbogen-Outfit. Auch die Supermarktkette REWE geriet 2020 für die Regenbogenflaggen am Markt in die Kritik – geändert hat sich an der Praxis nichts.

Sex, Drogen und Politik in der Markenkommunikation?

Das frühere Credo der Werbeindustrie „kein Sex, keine Drogen, keine Politik“ ist längst überholt. Doch wenn du politische und/oder gesellschaftliche Themen fürs Marketing aufgreifen möchtest, dann sollten dieses a) zu deiner Marke / deinem Unternehmen passen und b) mehr als nur ein Lippenbekenntnis sein. Deshalb gilt:

  • Du als Person oder dein Unternehmen haben einen Bezug zu dem jeweiligen Thema (zum Beispiel gehörst du selbst oder deine Mitarbeiter:innen zur LQTBI*-Community oder einer anderen Gemeinschaft, deren Anliegen du unterstützt)
  • Du als Person oder dein Unternehmen unterstützten aktiv eine Gemeinschaft oder ein Anliegen (zum Beispiel Sponsoring von Veranstaltungen, Organisationen oder Anliegen – oder der Erlös von Produkten geht an eine Organisation)

Die Jeansmarke Levis machte letzteres zum Beispiel gut vor, als sie 2021 mit der Kampagne „All Pronouns, all Love“ auf ein hochaktuelles Thema der LGTBQI*-Community aufmerksam machte: Respektiere alle Pronomen. 100 Prozent des Nettogewinns aus dieser Pride-Kollektion gingen an die Organisation OutRight Action International, die sich für die Menschenrechte schwuler, lesbischer, bisexuell, transgender und intersexueller Personen einsetzt. Im Falle der Solidarität-Posts zur Ukraine auf den sozialen Netzwerken von exali entschieden mein Team und ich uns schließlich für einen Post, der verdeutlichte, dass wir als europaweit agierendes Unternehmen an der Seite der Ukraine stehen. Zusätzlich erhielten alle Titelbilder der deutsch- und englischsprachigen Kanäle den blau-gelben Hintergrund der ukrainischen Landesflagge. Auf meinen persönlichen Kanälen teilte ich außerdem verschiedene Hilfs- und Spendenprojekte und exali teilte diese Posts. Anteilnahme, Reichweite für Hilfsprojekte und keine weitere Werbung – diese Vorgehensweise halte ich persönlich für ehrlich und auch sinnvoll.

Ukraine-Hilfe der Stadt Augsburg: Hier sind verschiedene Hilfsorganisationen aufgelistet, mit denen du die Ukraine unterstützten kannst – mit Geld- oder Sachspenden, sowie freiwilligem Engagement: Ukraine – helfen und spenden

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