Von Prokrastination und kalkuliertem Aufschieben

Tipps gegen Aufschieben: Diese Strategien helfen wirklich

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Vor einiger Zeit habe ich in einem Business-Magazin einen Text gelesen, in dem es um das Thema Prokrastination ging und Möglichkeiten, diese zu vermeiden. Der Text hat mich persönlich gleich auf mehreren Ebenen geärgert, denn: Aufschieben ist nicht das Gleiche wie Prokrastination – und nicht immer ist Aufschieben etwas Schlechtes. In diesem Artikel möchte ich daher zum einen auf den Unterschied eingehen und zum anderen ein paar Tipps mit dir teilen, die mir persönlich gerade bei komplexeren Projekte geholfen haben.

Kalkuliertes Aufschieben? Ja, das funktioniert

Es gibt immer Aufgaben, die ich lieber erledige als andere und oft ertappe ich mich dabei, wie ich das Erledigen dieser weniger geliebten Aufgaben zugunsten anderer nach hinten schiebe (Stichwort: Aufschieberitis). Was manchmal auch dazu führt, dass aus einer verschobenen Aufgabe ein Berg von vielen wird, den ich dann innerhalb von einem Tag abarbeite, um mich so nur einmal mit den unbeliebten Dingen beschäftigen zu müssen. Diese Strategie nenne ich gerne „kalkuliertes Aufschieben“ – denn ich entscheide mich ja ganz bewusst dazu, Aufgaben gebündelt abzuarbeiten, statt mich sofort um jede einzelne zu kümmern. Natürlich funktioniert das nicht für jede Aufgabe – schon gar nicht, wenn es um Einzelaufgaben innerhalb eines Projektes mit unterschiedlicher Komplexität und verschiedenen Deadlines geht. Daher nutze ich mein „kalkuliertes Aufschieben“ meist für administrative Aufgaben – wie zum Beispiels die Überarbeitung von Compliance Unterlagen oder das Update unseres BCP-Plans. Ich persönlich finde, dass mir dieser einberechnete Stress auch ab und an ganz guttut. Unter Druck arbeite ich manchmal einfach besser. Ihr kennt sicherlich das Phänomen der plötzlichen Effektivitätssteigerung vor dem anstehenden Urlaub 😉

Aufschieben ist nicht das Gleiche wie Prokrastination

Die gelegentliche „Aufschieberitis“ – selbst wenn es regelmäßig erfolgt – von weniger geliebten Aufgaben ist in der Regel kein Problem. Wir sind alle nur Menschen und manchmal braucht es auch einen kleinen Berg als Motivation, diese unbeliebteren Aufgaben zu erledigen. Leider hat es sich inzwischen eingebürgert, den Begriff „Prokrastination“ als generelles Synonym für das Aufschieben von Tätigkeiten oder Aufgaben zu verwenden und das halte ich für problematisch. Denn: Prokrastination beschreibt ein krankhaftes Verhalten, das mit einem großen Leidensdruck für die Betroffenen einhergeht.

Vor vielen Jahren hatte ich dazu in der eigenen Firma ein Schlüsselerlebnis. Nach der relativ überraschenden Kündigung einer Mitarbeiterin kamen im Nachgang sehr viele unerledigte Vorgänge zum Vorschein. Vermutlich war dieser Berg aufgeschobener Aufgaben zumindest ein Grund für die Kündigung. Heute sind wir im Unternehmen anders aufgestellt, so dass es vermutlich zu einer derartigen Situation nicht mehr kommen würde. Dennoch zeigt das Erlebnis wie ernst wir das Thema echte Prokrastination nehmen sollten.

Was ist Prokrastination?

Prokrastination ist der wissenschaftliche Fachbegriff für pathologisches Aufschieben. Letzteres ist entscheidend – wer ab und an mal etwas aufschiebt und deshalb in Stress gerät, prokrastiniert nicht. Wenn aus gelegentlichem Aufschieben aber ein krankhaftes Verhalten wird, bei dem du grundsätzlich vor einem scheinbar niemals kleiner werdenden Berg an Aufgaben stehst und das nicht nur beruflich, sondern auch privat, dann könnte es sich um Prokrastination handeln. Die Prokrastinationsambulanz der Universität Münster beschreibt das folgendermaßen:

„Ab wann Aufschieben ein Problem darstellt, das behandelt werden sollte, lässt sich nicht grundsätzlich festlegen. Eine Schwelle dafür verläuft für jede Person dort, wo das Aufschieben zu Leiden und zu Beeinträchtigungen im Studium, Beruf oder anderen Lebensbereichen führt.“ Wie bei vielen pathologischen Verhaltensweisen fängt der Weg zur Prokrastination aber auch irgendwo an. Dabei gibt es einige Faktoren, die das Ganze begünstigen:

  • Probleme beim Setzen von Prioritäten
  • Konzentrationsprobleme
  • Schlechtes beziehungsweise unrealistisches Zeitmanagement
  • Unrealistische Zielsetzungen
  • Fehleinschätzung der Aufgaben, was Umfang und/oder benötigte Zeit betrifft oder falsches Einschätzen der eigenen Anstrengungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit
  • Schwierigkeiten, zeitliche Ressourcen in Berufs- und Privatleben eigenverantwortlich sinnvoll einzuteilen
  • Versagensängste oder Angst vor Kritik
  • Abneigung gegen die Aufgaben

Tipps gegen das Aufschieben

„Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“, so ein Sprichwort. Ich persönlich finde, dass kalkuliertes Aufschieben durchaus in Ordnung ist – selbst dann, wenn mal etwas Unvorhergesehenes daherkommt und die Kalkulation etwas durcheinanderbringt. Gerade in der Gründungsphase ist etwas Chaos auch fast schon normal und gearbeitet wird ohnehin selbst und ständig – zumindest kenne ich das noch so von meinem eigenen Start in die Selbständigkeit. Problematisch wird das Aufschieben aber, wenn du grundsätzlich vor der eingangs erwähnten Alpenkette voller unerledigter Aufgaben stehst.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, habe ich hier ein paar Strategien und Tipps zusammengefasst, die mir stets dabei geholfen haben, das Aufschieben auf einem geringen Niveau zu halten.

#1: Zerkleinere Aufgaben in einzelne Schritte

Gerade größere Projekte bestehen oft aus vielen kleinen zu erledigenden Aufgaben. Statt also das gesamte Projekt auf deine To-do-Liste zu schreiben, zerkleinere es in einzelne Aufgaben, die es nach und nach zu erledigen gilt. Wie klein – oder groß – du diese Aufgaben gestalten willst, bleibt dir überlassen. Ein Tool, das sich hierfür übrigens sehr gut eignet, ist Asana – auch in der kostenlosen Version kannst du damit Projekte mit Unteraufgaben erstellen und bekommst täglich eine Übersicht per E-Mail, welche Aufgaben für heute anstehen. Damit arbeitest du ein Projekt schrittweise ab und kannst alle Tasks festhalten – inklusive Termine für Kundengespräche oder Rechnungen schreiben.

Tipp: Das Zerkleinern großer Projekte in viele kleine Aufgaben ist auch die Basis des Scrum-Modells, das vor allem im IT-Bereich oft zum Einsatz kommt. Welche Vorteile Scrum hat und wie das Ganze in der Praxis aussieht, habe ich in diesem Artikel zusammengefasst: Agiles Arbeiten in der Praxis

#2 Lerne zu Delegieren

Gerade Gründer:innen, Solo-Selbständige und Freelancer:innen tendieren dazu, alles selbst erledigen zu wollen. Ich war da auch nicht anders. Fakt ist aber: Nicht alle können alles gleich gut – es hat einen Grund, warum es Steuerberater:innen oder Buchhalter:innen gibt. Statt sich also mit Aufgaben abzumühen, die dich nicht nur viel Überwindung, sondern auch viel Zeit kosten, ist es sicher sinnvoll, sich für diese Aufgaben entweder externe Expertise zu suchen oder vielleicht auch jemanden einzustellen. Alternativ gibt es mittlerweile auch gute Software-Lösungen, die dich beim Thema Steuerberatung und Buchhaltung unterstützen können, wie zum Beispiel Kontist.

#3 Nutze die Pomodoro-Technik

Diese Technik eignet sich besonders für all diejenigen, die Probleme mit der Konzentration und/oder dem Zeitmanagement haben. Dabei teilst du Aufgabenschritte in kurze Arbeitsintervalle ein. In der Praxis funktioniert das so:

1. Du suchst dir eine Aufgabe, hältst kurz schriftlich fest, was zu erledigen ist

2. Dann stellst du dir einen Wecker auf 25 Minuten, in denen du konzentriert arbeitest.

3. Nach Ablauf der 25 Minuten machst du eine kurze Pause (5 Minuten) und startest dann mit einem neuen 25-Minuten-Intervall.

4. Nach vier Intervallen legst du eine längere Pause (10 bis 20 Minuten) einNach vier Intervallen legst du eine längere Pause (10 bis 20 Minuten) ein

#4 Belohne dich selbst

Feiere auch die kleinen Erfolge! Du hast eine Aufgabe auf deiner To-Do-Liste erledigt? Dann belohne dich doch mit einer kurzen Pause und genieße eine Tasse Kaffee oder Tee. Du hast eine besonders schwierige oder umfangreiche Aufgabe gelöst? Dann gönn dir doch zur Belohnung ein Stück Kuchen oder einen Spaziergang, je nach Präferenz. Nachdem Abschluss eines großen Projektes kannst du dir auch mal einen frühen Feierabend genehmigen. Solche kleinen, aber kontinuierlichen Belohnungen motivieren und helfen dabei, auch ungeliebte Aufgaben anzugehen.

#5 Tausche dich aus

Die Wichtigkeit des Austausches mit anderen Freelancer:innen, Selbständigen oder Unternehmer:innen wird leider immer wieder unterschätzt. Dabei garantiere ich dir: Die meisten Herausforderungen, vor denen du mit deinem Business stehst, kennen andere ebenfalls – vielleicht nicht auf die gleiche Art oder aus dem gleichen Grund, aber dennoch ähnlich genug. Deshalb kann ich dir nur empfehlen: Suche dir Networking-Events für deine Branche in deiner Umgebung – und sei es nur ein Event pro Jahr, auf dem du dich mit anderen Selbständigen austauschen kannst. Unter Umständen kommen so auch Kooperationen zustande, die dein Business voranbringen.

Tipp: Eine gute Möglichkeit, sich über die Herausforderungen und Strategien anderer Freelancer:innen zu informieren, sind Podcasts. In diesem Artikel habe ich eine Liste mit guten und informativen Podcasts zusammengestellt, die viele Tipps für den Freelancer-Alltag bereithalten: Hörenswerte Podcasts für Freelancer:innen

Fazit: Aufschieben ist nicht gleich Aufschieben

Kontrolliertes oder auch einkalkuliertes Aufschieben von bestimmten Aufgaben halte ich für vollkommen legitim. Einen halben oder sogar ganzen Tag in der Woche zum „Rechnungstag“ oder „Buchhaltungstag“ zu erklären, gibt dir auch selbst mehr Planungssicherheit. Denn du dir ja selbst einen fixen Termin gesetzt und kannst nun deine restlichen Aufgaben darum herum verteilen. Wichtig ist eben nur, dass das Aufschieben auch kalkulierbar bleibt. Wer dagegen generell Probleme mit dem Zeitmanagement, der Konzentration oder der Motivation hat, tut gut daran, frühzeitig Strategien zu entwickeln, um dem Aufschieben entgegenzuwirken. Gerade das Verkleinern der Aufgaben oder Arbeitsmodelle wie die Pomodoro-Technik können dich dabei gut unterstützen.

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