Scheitern gilt in Unternehmerkreisen – zumindest in Deutschland – noch immer als Tabu. Wer scheitert, hat versagt und wird dieses Stigma oft nie wieder richtig los. In anderen Ländern, wie etwa den USA oder Großbritannien, sieht das ganz anders aus: Dort wird Scheitern nicht als Ende, sondern Teil des Prozesses zum Erfolg betrachtet und ich finde von dieser Mentalität können und sollten wir uns einiges abschauen.
Henry Heinz, der Gründer des Heinz-Ketchup-Imperiums handelte bis 1873 mit Meerrettich und ging damit bankrott. Erst danach kam ihm die Idee, Ketchup in Flaschen abzufüllen. Die Designerin Vera Wang war eigentlich Eiskunstläuferin – als sie es 1968 nicht ins Olympia-Team schaffte, beschloss sie auf Mode umzusatteln und schaffte es von der Vogue schließlich zu Ralph Lauren. Die Liste erfolgreicher Unternehmer:innen, die zuerst scheiterten (einige sogar mehrmals) ist lang und illuster: So finden sich darunter etwa Amazon-Gründer Jeff Bezos, Apple-Gründer Steve Jobs, Arianna Huffington, die Gründerin und Herausgeberin der Huffington Post und auch Microsoft-Gründer Bill Gates.
Alle diese Beispiele zeigen für mich, dass Scheitern nicht unumkehrbar sein muss und dich als Unternehmer:in sogar voranbringen kann. Auch mir sagte man Scheitern auf ganzer Linie voraus, als ich 2008 (mitten in der Finanzkrise) mein Unternehmen exali gründete. 15 Jahre später existiert exali noch immer. Doch auch dieser Weg verlief nicht ohne Irrtümer und den einen oder anderen Fehlschlag. Doch ohne die stünde ich nicht da, wo ich jetzt bin.
Wenn du etwas wagst, besteht auch immer das Risiko, dass du scheiterst. Gerade den Deutschen scheint das große Angst zu machen – zumindest wenn es nach einer Studie aus dem Jahr 2015 von Andreas Kuckertz und anderen Wissenschaftler:innen der Universität Hohenheim geht. Kaum ein anderes Land ist dermaßen risikoscheu. Ich persönlich finde das fatal, schließlich können sich weder Erfolg noch Fortschritt einstellen, wenn nicht auch mal etwas schiefgeht oder man Irrwege beschreitet.
Tipp: Fehler passieren – es kommt auf den richtigen Umgang damit an! Wie du in deinem Unternehmen eine angemessene Fehlerkutur etablierst, erfährst du im Artikel Fehlermanagement: Warum Fehler Chancen sein können.
Wichtig ist, dass du einen Misserfolg für dich richtig interpretierst – und zwar ohne dir etwas vorzumachen. Verfehlte Ziele sind keine „Beinahe-Erfolge“ und eine schlecht gewählte Strategie ist keine „ungünstige Wendung“. Das mag auf den ersten Blick hart klingen, doch wenn du die Augen vor der Wahrheit verschließt, ist die Gefahr groß, dass du einem falschen Weg noch hartnäckiger folgst. Im schlimmsten Fall so lange, bis du dein Business in die Insolvenz führst.
Daher mein Tipp: Stelle niemals deinen Wunsch, als Unternehmer:in nach außen gut dazustehen, über die Realität. Je eher du erkennst, dass du auf dem falschen weg bist, desto eher kannst du ein Projekt noch retten oder wenigstens etwas aus deinem Irrtum lernen und dich auf diese Weise weiterentwickeln. So bleibst du nicht nur glaubwürdig, sondern sorgst auch dafür, dass dein Scheitern nicht absolut wird. Denn oft ist nicht gleich das gesamte Vorhaben ein Fehlschlag, sondern es hapert schlicht an Strategie, Taktik oder der Vision.
Scheitern kann vielfältige Formen annehmen und hat je nach Einzelfall vollkommen verschiedene Gründe. Doch im Laufe der Jahre sind mir unabhängig von den Umständen immer wieder bestimmte Faktoren begegnet, die sich in verschiedenen Variationen wiederholen. Die wichtigsten möchte ich hier mit dir teilen:
Tipp: Ich persönlich bin ein großer Fan von agilem Projektmanagement – denn hier wird ein Projekt immer in kleine Abschnitte eingeteilt und wenn Ideen nicht funktionieren, muss nicht sofort das komplette Projekt angehalten werden, sondern kann angepasst werden. In diesem Artikel habe ich die Basics und Vorteile dieses Projektmanagements zusammengefasst: Scrum – agiles Arbeiten in der Praxis
Selten scheitern Unternehmer:innen gleich auf ganzer Linie. Oft ist es ein einzelner Bestandteil eines Vorhabens, der sich nicht so entwickelt, wie gewünscht. Die gute Nachricht: Dagegen kannst du in den meisten Fällen etwas tun.
Wer ein eigenes Business auf die Beine stellen will, sollte die einzelnen Schritte dafür im Vorfeld gut planen. Doch auch ein ausgefeilter Plan nützt nichts, wenn er nicht ordentlich umgesetzt wird. Ein Klassiker, den ich im Laufe meines Unternehmerdaseins oft beobachtet hab, ist die hervorragende Ausarbeitung eines absolut sinnvollen Geschäftsmodells ohne ein System dahinter, wie die verschiedenen Abteilungen die Arbeit schlussendlich erledigen. Das bereitet den Nährboden für Fehler, unnötige Mehrarbeit und Mikromanagement.
Die Lösung für dieses Dilemma: Protokolliere deine Prozesse und lege (nicht zu starre) Vorgaben fest, die jede:r Mitarbeiter:in eigenständig erfüllen kann, ohne dass ständiges Eingreifen seitens der Chefetage erforderlich wird. So bleibt mehr Zeit für Wichtiges und du sorgst für eine gleichbleibende Qualität der Resultate. Lege sinnvolle Kennzahlen fest, die es dir ermöglichen, deine Ergebnisse immer wieder zu prüfen. So erhältst du wertvollen Input, der dir verrät, wo du deine Taktik anpassen solltest. Wiederhole diesen Prozess regemäßig! Branchen entwickeln sich schnell und genauso zügig müssen Prozesse immer wieder nachjustiert werden oder sind eines Tages vollkommen obsolet. Diene Taktik sollte also stets mit der Zeit gehen.
Manchmal stimmen Idee und Taktik, doch alle Beteiligten arbeiten auf ein völlig falsches Ziel hin. Ein eindrückliches Beispiel ist die Entstehung des Amazon Marketplace. Ursprünglich als eine Art zweites ebay gedacht, war das Projekt auf dem besten Weg zum kompletten Desaster. Erst eine Anpassung der Strategie brachte den gewünschten Erfolg und uns den Onlinemarktplatz, wie wir ihn heute kennen. Diese Problematik haben wir auch bei exali bereits am eigenen Leib erfahren.
2020 erweiterten wir unser Angebot auf Österreich und die Schweiz, weitere Länder in Europa sollten folgen. Da für die angestrebte Europäisierung zu dieser Zeit die gewünschte Top-Level-Domain exali.com nicht zur Verfügung stand, fokussierten wir uns im ersten Schritt auf Österreich (exali.at) und die Schweiz (exali.ch). Durch unsere relative Bekanntheit im deutschsprachigen Raum und die Tatsache, dass die Sprachbarriere hier geringer ausgeprägt war, erhofften wir uns hier einen leichteren Start. Allerdings hat sich schnell abgezeichnet, dass unsere Idee so nicht funktioniert, wenn wir einen Rollout in weiteren europäischen Ländern anpeilen. Das lag unter anderem an folgenden Punkten:
Glücklicherweise wurde uns der drohende Fehlschlag rechtzeitig klar und wir konnten die Learnings aus dem Rollout in Österreich sowie der Schweiz für eine Anpassung unserer Europa-Strategie nutzen. So erfolgte der Wechsel von einer Top-Level-Domain- zu einer Verzeichnisstrategie in englischer Sprache – und der erfolgreiche Rollout unseres Angebots strukturiert nach Clustern in 16 weiteren Ländern Anfang 2022.
Tipp: Ein Produktlaunch ist aufregend und arbeitsintensiv. Eine umsichtige Planung hilft dir und deinem Team, diese spannende Zeit gut zu bewältigen. Was für eine erfolgreiche Produkteinführung am Markt wichtig ist, darüber habe ich mir in diesem Artikel Gedanken gemacht: Produktlaunch: In sechs Schritten zur Produkteinführung.
Mir hat diese Zeit vor allem Eines gezeigt: So wichtig gute Planung auch ist, man muss eine Strategie im echten Leben testen, um zu wissen, ob sie wirklich funktioniert. Ist das nicht der Fall, kommt es aber auch darauf an, sich konsequent und rechtzeitig von einem falschen Vorgehen zu verabschieden. Denn bloß, weil etwas im ersten Anlauf nicht den gewünschten Erfolg bringt, heißt das nicht, dass du als Unternehmer:in unfähig bist.
Steht was du tust, nicht im Einklang mit deinen eigenen Werten, wirst du höchstwahrscheinlich scheitern, da du fremdbestimmt die Idee von Anderen umsetzt, anstatt etwas zu tun, das dir wirklich entspricht. Mir ging das in den ersten Jahren meiner Selbständigkeit ähnlich. Um das zu vermeiden, musst du natürlich erst einmal herausfinden, was dir wichtig ist, was du erreichen möchtest und wie du deine Zeit verbringen willst. Selbstverständlich kannst du dich auch einfach treiben lassen, doch dann ist die Gefahr groß, dass du nur noch auf die Umstände reagierst und dich irgendwann fremdbestimmt und unzufrieden in einer Situation wiederfindest, in die du eigentlich nie geraten wolltest. Mache dir also klar, welcher unternehmerischen Version du folgen willst – wie du den Weg zu deren Erfüllung gehst, darin kannst du ja flexibel bleiben.
Unsere Angst vor Fehlern liegt vor allem darin begründet, dass wir uns vor Spott und Kritik fürchten. Dabei sorgen genau diese Fehler für persönliche und gesellschaftliche Entwicklung! Deshalb wünsche ich mir mehr Mut: Mut, auch mal einen Fehlschlag zu riskieren oder einem Irrtum aufzusitzen ohne, dass man im Anschluss der Häme seiner Mitmenschen ausgesetzt ist. Denn Fehler machen nicht nur klüger, sondern auch nachsichtiger. Man bringt viel mehr Geduld mit anderen auf, wenn man sich darüber im Klaren ist, dass einem selbst auch schon ein grober Schnitzer passiert ist.
Aus unternehmerischem Scheitern kann also tatsächlich etwas Gutes entstehen, wenn du richtig damit umgehst. Suche die Schuld nicht ausschließlich in äußeren Umständen und grüble nicht zu sehr über alles nach. Analysiere deine Fehler, lerne daraus, hake die Sache ab und mach – nun hoffentlich klüger – weiter. Im Endeffekt geht es darum, aus Niederlagen etwas zu machen, Verantwortung zu übernehmen (auch für das, was nicht funktioniert hat) und bei alldem die Begeisterung für das eigene Tun nicht zu verlieren. Dann sind Fehlschläge in manchen Fällen gar nicht mal so schlecht. Meine eigenen haben mich im Nachhinein betrachtet zu einem erfolgreichen Gründer gemacht.
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