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Blogger im Würgegriff: Huffington Post will alle Rechte aber keine Pflichten

Vor genau zwei Wochen launchte die Huffington Post zusammen mit der Tomorrow Focus AG den deutschen Ableger des US-Amerikanischen Nachrichtenportals. In den USA bereits beliebter als die New York Times, soll nun auch der Rest der Welt die Vorzüge des Portals kennenlernen. Schon im Vorfeld gab es hierzulande hitzige Diskussionen rund um das Geschäftsmodell der „HuffPo“. Denn Autoren, die Artikel für die Nachrichten-Plattform liefern, werden nicht bezahlt – ihr Lohn ist der Ruhm. Und auch sonst sind die Verträge, mit denen die Huffington Post ihre Autoren an sich bindet, nicht gerade freundlich. 

Auch ich habe durch meine Arbeit oft mit dem Thema Urheberrecht zu tun. Deshalb habe ich mich näher mit den Verträgen zwischen dem Portal und seinen freiwilligen Bloggern beschäftigt – und darin noch einige unbequeme Paragraphen mehr entdeckt…

Wenn Klicks zur Währung werden

„Ich gebe Ihren Vorschlag gerne an meinen Vermieter, den Lebensmittelhändler, den Tankwart und die Telekom weiter, vielleicht kann ich dort ja ebenfalls ohne Bezahlung alle nötigen Dinge bekommen.“ So antwortete Blogger Kai Petermann (‚Stilsucht‘) auf die Anfrage der Huffington Post, ob er nicht für den deutschen Ableger schreiben wolle – ohne Bezahlung versteht sich.

Denn darauf beruht das Geschäftsmodell der HuffPo: Jeder, egal ob Promi, Politiker, Wissenschaftler, Hausfrau oder Hobbygärtner, kann seine Beiträge auf der Webseite veröffentlichen lassen – als Gegenleistung winken Aufmerksamkeit, Klicks und bestenfalls ein gesteigerter Bekanntheitsgrad und eine wachsende Leserschaft.

Die Währung des Internets mit all seinen Möglichkeiten der Information und Zerstreuung und das, worum jeder einzelne Homepagebesitzer kämpft, ist ja gerade das: Aufmerksamkeit. Ist der Deal also nicht ein Traum für jeden Blogger?

Nutzungsrechte ade – Huffington Post will alles oder nichts

Nicht ganz. Die Huffington Post verlangt nämlich etwas mehr, als das einmalige Zurverfügungstellen des Contents. Strenge Verträge sorgen dafür, dass die Autoren sämtliche Verwertungsrechte an ihren Texten abtreten müssen und sie fortan auch nicht mehr anderweitig verwenden dürfen. Die weiteren Nutzungsrechte, wie Autoren sie sonst an ihren Artikeln haben, gelten in diesem Fall nicht.

Hinweisbox Urheberrecht
„Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.“ §11, UrhGDadurch wird das Urheberrecht in Urheberpersönlichkeitsrechte (§§12-14 UrhG) und Verwertungsrechte (§§15-24 UrhG) gegliedert. Der Urheber kann einem Dritten die Nutzungsrechte an seinem Werk übertragen. Die Urheberpersönlichkeitsrechte, zu denen das Veröffentlichungsrecht, die Anerkennung der Urheberschaft und das Entstellungsrecht gehören, bleiben ihm in jedem Fall erhalten.

Immerhin: Die Huffington Post sichert zu, „Inhalte im Einklang mit Ihrem Urheberpersönlichkeitsrecht zu verändern oder adaptieren (z.B. zusammenfassen, zu kürzen, zu übersetzen etc.) sowie davon abgeleitete Werke zu erstellen“.

Mit dieser sehr harten Regelung haben die Macher der HuffPo Deutschland bereits einige der Blogger vergrault, die sie für eine Mitarbeit gewinnen wollten. Aus anfänglicher Begeisterung für die Idee des Portals kann also schnell Enttäuschung werden, sobald die Nutzervereinbarung gelesen wird.

Im Gastbeitrag bei Lousy Pennies spricht Chefredakteur Sebastian Matthes zwar davon, dass Inhalte zweitverwertet werden können – in den Richtlinien der Homepage ist jedoch Anderes zu lesen.

Persönliche Haftung für alle – Risiken auf Autoren abgewälzt

Wer dachte, das wäre es schon an Unannehmlichkeiten für Gastautoren der Huffington Post, der irrt: Mein persönliches „Highlight“ ist die Haftungsfreistellung der HuffPo, d.h. die Übertragung sämtlicher Haftungsrisiken auf die Autoren. Denn die Veröffentlichung eines Artikels auf der Plattform hat ihren Preis – die „alleinige Verantwortung für jeglichen Schaden“ (aus den Nutzungsbed. HuffPo, Punkt 8), auch wenn die HuffPo den Artikel zusammenfasst, gekürzt oder übersetzt hat.

Sich als Medienunternehmen komplett aus der „Schusslinie“ zu nehmen, ist schon ungewöhnlich. Man muss kein Versicherungsexperte sein, um zu wissen, dass große Medienunternehmen wie die Tomorrow Focus AG gegen Veröffentlichungsrisiken abgesichert sind. Zudem unterhalten Verlage auch eine eigene Rechtsabteilung. Es ist ja auch kaum auszuschließen, dass jemand einen Artikel in den falschen Hals bekommt und dagegen klagt – vor allem, wenn eine solche Masse an Beiträgen veröffentlicht wird, wie in der Huffington Post.

Doch das Nachrichtenportal will weder den Versicherer noch die Rechtsabteilung bemühen und die Haftung lieber auf die Autoren abwälzen.

Versteht mich bitte nicht falsch. Ich bin schon der Meinung, dass man für eigene Artikel inhaltlich gerade stehen sollte. Und für „unsauberes“ Arbeiten (Copycat & Co.) habe ich kein Mitgefühl. Es gibt aber auch viele schwarze Schafe unter den „Abmahnern“, für die vermutlich auch Artikel auf der HuffPo ein gefundenes Fressen sind. Insbesondere, wenn sich die HuffPo nicht vor die Gastautoren stellt, sondern sich dahinter versteckt. Ich denke, dass sich einige Abmahnungen in Luft auflösen würden, wenn sich im ersten Schritt die Rechtsabteilung der HuffPo damit auseinander setzen würde. Wer will sich schon mit einem großen Verlag anlegen? Die Möglichkeit, den Autor in gerechtfertigten Fällen in Regress zu nehmen, bleibt der HuffPo ohnedies erhalten.

Unerschrockene Blogger

Nun könnte man meinen, harte Bandagen in den Verträgen hätten eine abschreckende Wirkung auf potentielle Gastautoren. Doch einigen scheint das nichts auszumachen. Tomorrow Focus-Geschäftsführer Eckert berichtet gegenüber meedia jedenfalls von einer kaum zu bewältigenden Flut an Anfragen, die begeisterte Schreibwütige an die Redaktion in München geschickt hätten. Sie treibt die Möglichkeit an, ihre Gedanken mit einer möglichst großen Leserschaft teilen zu können – und irgendwann vielleicht von ihrer dadurch erworbenen Bekanntheit zu profitieren.

Abmahnungsrisiko als zusätzliches Schmankerl

Im Fall der HuffPo könnte das aber nach hinten losgehen: Dann nämlich, wenn das eigene Werk die Rechte eines Dritten verletzt und dieser dagegen klagt. Spätestens, wenn die erste Abmahnung ins Haus flattert, werden die kostenlosen Autoren auf den harten Boden der Realität zurückgeholt.

Abmahnungen und Schadenersatzansprüche können richtig teuer werden und einen nebenberuflichen Blogger schnell an den Rand des Ruins bringen. Wer dennoch nicht auf die Mitarbeit an dem Projekt verzichten will, sollte sich vorsichtshalber gegen die Haftungsrisiken absichern, die der Web-Journalismus mit sich bringt.

Eine spezielle Media-Haftpflicht bietet umfassenden Schutz vor Schadenersatzansprüchen Dritter. Tipp: Da die Schäden in diesem Bereich meist rein finanzieller Natur sind, sollte eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung auf jeden Fall enthalten sein.

Fazit: Berufs-Blogger und Web-Worker sind häufig bereits gegen die Berufsrisiken des Internets abgesichert. Sie können sich also beruhigt in das Abenteuer stürzen 🙂
Alle anderen sollten sich auch mit den Risiken und Nebenwirkungen einer nebenberuflichen Autorenschaft auseinandersetzen. Ich bin jedenfalls gespannt, ob die Huffington Post mit ihrem Konzept das journalistische Geschäftsmodell der Zukunft realisiert und damit einen neuen Trend setzt. Vielleicht zeigen die deutschen Leser den Machern aber auch, dass Qualität vor Quantität geht 🙂

Weiterführende Informationen:

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