Imposter Syndrom: Von Selbstzweifeln, Perfektionismus und Arbeitswut

Das Hochstapler Syndrom: Was dahintersteckt und wie du damit umgehen kannst

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„Eigentlich kann ich gar nichts – ich hatte nur viel Glück und irgendwann wird das auch allen in meinem Umfeld auffallen und ich werde als Hochstapler:in entlarvt.“ Hinter diesem Satz steckt ein Phänomen, dass aktuellen Studien zufolge jede:r von uns im beruflichen Kontext schon einmal erlebt hat – und das bei 15 Prozent so intensiv ist, dass es zu massiven Problemen führen kann. Die Rede ist vom Hochstapler Syndrom. Wie ich zu diesem Thema komme? Nun, tatsächlich brachte mich ein Bekannter darauf.

Vor einigen Wochen saß ich mit einem guten Bekannten zusammen, der sich vor etwa zehn Jahren selbständig gemacht hat und mittlerweile eine erfolgreiche Werbe-Agentur leitet. Im Gespräch kamen wir auf das Thema Auszeichnungen (seine Agentur hatte vor kurzem eine für eine Werbekampagne erhalten) und dabei meinte er plötzlich, dass ihn manchmal das Gefühl beschleicht, sein beruflicher Erfolg beruht eigentlich nur auf Glück und der Auswahl guter Mitarbeiter:innen. Ich war so überrascht, dass mir in dem Moment keine gute Antwort auf diese doch ziemlich seltsame Aussage einfiel.

Das „Imposter“-Phänomen

Ich denke, dass jede:r von uns ab und an den eigenen Fähigkeiten zweifelt oder auch das eigene Können geringer einschätzt, als es ist. Nur gerade Selbständige, Freelancer:innen oder auch Führungskräfte können sich ein solches Denken eigentlich nicht leisten – denn wer nicht an sich und seine eigenen Fähigkeiten glaubt, tut sich schwer, diese anderen zu verkaufen. Tatsächlich zeigte mir eine kurze Recherche aber: Das sogenannte „Imposter Syndrom“ oder zu Deutsch Hochstapler-Syndrom ist gerade unter hochqualifizierten Fachkräften – vor allem im akademischen Bereich – und auch unter Führungskräften weit verbreitet.

Was ist das Hochstapler Syndrom?

Das Hochstapler Syndrom wurde erstmals im Jahr 1978 von den Psychologinnen Pauline Rose Clance und Suzanne Imes in einer Studie thematisiert. Darin wurden über 150 Frauen befragt, die mit ihrer akademischen Exzellenz Aufmerksamkeit erregten. Trotz akademischer Grade, Ehrungen und großer Erfolge gaben die Frauen an, sich als Hochstaplerinnen zu fühlen. Mittlerweile zeigen verschiedene Studien, dass das Imposter-Phänomen nicht nur Frauen, sondern auch Männer betrifft – und das meist in gleicher Ausprägung. Besonders häufig sind paradoxerweise diejenigen davon betroffen, die von ihrem Umfeld als absolute „High Performer“ wahrgenommen werden.

Ganz grundsätzlich wird das Hochstapler Syndrom in der Psychologie als ein Phänomen bezeichnet, bei dem die Betroffenen unter massiven Selbstzweifeln – meist den beruflichen Erfolg betreffend – leiden. Das geht sowohl mit dem Gefühl einher, das eigene Umfeld zu „betrügen“, als auch der Angst, als Hochstapler:in entlarvt zu werden. Die eigenen Erfolge werden dabei meist klein geredet („Ich hatte halt Glück“), ebenso wie die eigenen Fähigkeiten. Folgende Symptome gehen oft mit dem Hochstapler-Syndrom einher:

  • Selbstzweifel und Unsicherheit
  • Die Unfähigkeit, die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen realistisch einzuschätzen
  • Soziale Distanz
  • Hohe, teils unmöglich erfüllbare Ansprüche an sich selbst
  • Perfektionismus
  • Keine Anerkennung der eigenen Leistungen und Erfolge
  • Angst, von anderen bloßgestellt zu werden
  • Wenig Selbstwertgefühl
  • Geringes Selbstbewusstsein
  • Innere Unruhe und Schlafstörungen
  • Kompletter Fokus auf die eigene Karriere

Die fünf „Hochstapler-Typen“

Wie bereits erwähnt: Vor allem hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte kämpfen oft mit dem Hochstapler-Syndrom. Doch nicht bei jeder:m äußert sich das Phänomen auf die gleiche Art – oder aus dem gleichen Grund, weswegen es grundsätzlich fünf unterschiedliche „Hochstapler-Typen“ gibt:

Die Naturtalente

Diese Menschen haben einen ganz grundsätzlichen Vorteil gegenüber ihren Mitmenschen, den sie paradoxerweise als Nachteil wahrnehmen: Sie sind Naturtalente, denen ihre jeweilige Profession leichtfällt. Nur sehen sie eben in ihrem Umfeld, wie sich andere deutlich mehr anstrengen und quälen müssen für das, was ihnen scheinbar zufällt. Deshalb haben sie den Eindruck, sie selbst wären die Hochstapler:innen, die einfach nur mehr Glück haben als andere. Das resultiert nicht selten darin, dass sich Naturtalente noch mehr anstrengen und noch härter arbeiten – quasi um zu beweisen, dass auch sie den Erfolg verdient haben.

Die Perfektionist:innen

Wer unter Perfektionismus leidet, hat es grundsätzlich schon mal schwer, denn egal wie gut das Ergebnis ist, du wirst nie zu 100 Prozent damit zufrieden sein. Alles muss immer bis ins kleinste Detail optimiert sein, jede Aufgabe geprüft werden und es gibt keinerlei Raum für Fehler. Tatsächlich steckt hinter Perfektionismus oft fehlendes (Selbst)Vertrauen – in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten und oft auch in die der anderen. Letzteres führt meist dazu, dass du als Führungskraft gerade in Projekten zum Flaschenhals wirst, der durch das permanente Nachkontrollieren das Vorwärtskommen behindert.

Tipp: Die große Angst von Perfektionist:innen ist es, Fehler zu machen (oder zu übersehen). Dabei können Fehler auch Chancen sein. Im Artikel zum Thema Fehlermanagement zeige ich dir, warum.

Die Einzelgänger:innen

Einzelgänger:innen sind die Personen, die am liebsten alles selbst erledigen wollen und selten nach Hilfe fragen. Bei Führungspersonen resultiert das oft auch darin, dass Informationen nicht oder erst spät weitergegeben werden, was für Mitarbeiter:innen sehr frustrierend sein kann. Bei Selbständigen sind das oft die ewigen Einzelkämpfer:innen, die sich entweder halb zu Tode arbeiten, weil sie alle Aufgaben inklusive Buchhaltung oder Steuererklärung unbedingt selbst erledigen wollen – oder eben die, bei denen oft Aufgaben unerledigt bleiben, weil das Gesamtpensum einfach zu hoch ist.

Die Expertinnen beziehungsweise Experten

Diese Menschen sind meist absolute Expertinnen oder Experten auf ihrem Gebiet – sie bilden sich konstant weiter, lesen sich immer wieder in neue Fachliteratur ein und versuchen stets, den aktuellen Wissenstand zu haben. Grundsätzlich ist es nichts Schlechtes, im eigenen Fachgebiet die Expertise auf- und auszubauen – bei diesen Expertinnen und Experten ist aber der Antrieb entscheidend: Der Wissensaufbau und die vielen zusätzlich erlernten Kompetenzen sollen nämlich das Risiko minimieren, als Hochstapler:in entlarvt zu werden.

Die Arbeitstiere

Arbeitstiere sind eher unter Angestellten verbreitet – es handelt sich hier um die Kolleginnen oder Kollegen, die meist am längsten im Büro sind, zusätzliche Aufgaben übernehmen und regelmäßig Überstunden ansammeln. Da wir Selbständigen meiner Erfahrung nach ohnehin meist sehr viel arbeiten, habe ich noch keinen Konkurrenzkampf erlebt, wer das denn nun am längsten und ausdauerndsten selbst und ständig tut.

Der Vergleich dieser fünf Arten der gefühlten Hochstapler:innen zeigt aber ganz deutlich, dass sie alle meist von den zuvor genannten Symptomen angetrieben werden und auch unter den gleichen Defiziten leiden. Wer die eigenen Ängste durch Berge von Arbeit oder übertriebenen Perfektionismus auszugleichen versucht, läuft zudem Gefahr über kurz oder lang psychische und/oder physische Erkrankungen (oft auch in Wechselwirkung) zu entwickeln.

Tipps, die beim Imposter-Phänomen helfen

Ganz grundsätzlich beruht das Hochstapler-Syndrom darauf, dass du dir und deinen eigenen Fähigkeiten nicht oder zu wenig vertraust. Das kann sich auch selbst bedingen – wer grundsätzlich an sich selbst zweifelt, zweifelt auch eher an der eigenen Expertise. Um dem entgegenzuwirken, hilft zunächst einmal ein nüchterner Blick auf das eigene Schaffen:

#1 Überprüfe die Fakten

Wichtig ist, sich zunächst klar zu machen, dass das Hochstapler Syndrom ein GEFÜHL der eigenen Unfähigkeit darstellt. Gefühle haben oft gar nichts mit Fakten zu tun – deshalb solltest du den Faktencheck machen und von den Emotionen trennen: Schau dir deine Ausbildungen, Zeugnisse, Qualifikationen und Erfolge an. Niemand schenkt dir einen Studienabschluss oder eine zusätzliche Qualifikation und langfristiger Erfolg beruht auch nicht auf Glück, sondern meiner Erfahrung nach auf harter Arbeit. An diesen Fakten solltest du dich orientieren.

#2 Feiere die Erfolge

Der zweite Schritt ist, die eigenen Erfolge anzuerkennen. Du hast einen Preis für deine Arbeit erhalten, eine besonders gute Bewertung von einer Kundin oder einem Kunden erhalten oder deine Auftraggeber:innen wollen nach Abschluss eines Projektes gleich das nächste mit dir in Angriff nehmen? All das passiert, weil du gute Arbeit geleistet hast. Schau dir den Erfolg an und die FAKTEN die dazu geführt haben. Und erlaube dir auch, diesen Erfolg zu feiern und vielleicht sogar mit einer kleinen Belohnung für dich selbst zu genießen.

#3 Hol dir Hilfe

Auch als Selbständige:r oder Freelancer:in musst du zum einen nicht alles gleich gut können und zum anderen auch nicht alles alleine erledigen. Gerade im Bereich Buchhaltung und Rechnungsstellung gibt es mittlerweile gute Tools, die dich bei deiner Arbeit unterstützen können. Kontist beispielsweise übernimmt nicht nur die Buchhaltung, sondern auch gleich die Steuerabrechnung. Grundsätzlich empfehle ich allerdings, gerade als Gründer:in in den ersten Jahren mit einer:m Steuerberater:in zusammenzuarbeiten.

#4 Coaching

Gerade um mit den eigenen Selbstzweifeln umzugehen und Strategien dagegen zu entwickeln, kann dir ein Coach enorm weiterhelfen. Gerade im Business-Bereich gibt es mittlerweile zahlreiche Coaches, die sich auf das Hochstapler Syndrom und die Folgen spezialisiert haben.

Fazit: Konzentriere dich auf die Fakten

Ob nun Gefühle wichtiger sind als Fakten oder andersherum ist eine generelle philosophische Frage, die ich hier nicht beantworten will und kann. Grundsätzlich ist es aber so, dass unsere Gefühle gerne harte Fakten ignorieren – wer das anzweifelt, muss sich eigentlich nur die Diskussionen rund um das Corona-Virus und die Impfung der vergangenen drei Jahre ansehen. Leider neigen wir Menschen immer wieder dazu, Tatsachen für Gefühle zu ignorieren – gerade im Business kann das fatale Folgen haben. Deshalb: Konzentriere dich auf die Fakten – auf die Erfolge, Qualifikationen und Auszeichnungen und nicht auf das Gefühl das dir sagt, dass du eigentlich gar nichts kannst und das irgendwann auffallen wird.

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