Meine anfängliche Ernüchterung angesichts der Außenfassade von Lloyd’s wandelte sich im Innern des Gebäudes in sofortige Begeisterung: So viel Raum und Platz. Bis zu 4.000 Menschen können hier arbeiten. Und sie tun das noch genauso wie vor 300 Jahren.
Zumindest was das grundsätzliche Arbeitsmodell einer Versicherungsbörse betrifft.
Das erste Mal wurde Lloyd´s im Jahre 1688 erwähnt. Namensgeber war Edward Lloyd, dessen Kaffeehaus der Treffpunkt für die Schiffseigener und Geschäftsleute war. Wollte ein Eigner ein Schiff versichern, fragte er unter den anwesenden Gästen bei Edward Lloyd nach, wer bereit war durch seine Unterschrift – daher der Begriff Underwriting und Underwriter – ein Teil des Risikos persönlich zu tragen.
An diesem Prinzip hat sich bis heute nichts geändert.
Versichert wird (fast) alles
Die Syndikate sind die Vertreter der Geldgeber. Der Broker (Versicherungsmakler) vertritt den Versicherungsnehmer und versucht mit dem Underwriter des Syndikats eine faire Prämie für das zu versichernde Risiko zu verhandeln.
Dabei versichert Lloyds, wie ich bei der für mich organisierten Führung durch einen Mitarbeiter von Lloyd’s erfuhr, „nearly everything“: von der Ölplattform über Öltanker, zukünftige Weltraumflüge mit Virgin Galactic bis hin zur Stimme von Celine Dion oder den Beinen von Tina Turner.
Heute ist Lloyd’s für Unternehmen in über 200 Ländern und Regionen tätig. In der 300jährigen Geschichte konnten weder Weltkriege, Wirtschaftskrisen noch Naturkatastrophen dem Versicherer der weltweit größten Risiken (so genannter big tickets) etwas anhaben. Obwohl es immer wieder Ereignisse gab, die Lloyds´s etwas ins Wanken brachten:
- In den 1980er Jahren geriet Lloyd´s in die Kritik als die Bohrinsel Piper Alpha nach einem Feuer 1988 als Totalverlust verbucht werden musste. Im Jahr darauf liefen mit dem Tankerunglück Exxon Valdez und dem Erdbeben in San Francisco Milliarden-Schäden auf.
- Auch die „class actions“ (Sammelklagen) wegen Asbest in Amerika in den 1990ern setzten Lloyds zu.
In dieser Zeit erwarb sich der damalige Chairman Robert Hiscox den Namen als Retter von Lloyd´s. (Der Spezialversicherer Hiscox unterhält drei der 87 Lloyd´s Syndicate, darunter eines der größten.)
Robert Hiscox ließ sich in diesen angespannten Zeiten von Mac Kinsey und dessen Mitarbeiter Bronek Masojada beraten. Das Ergebnis waren umfangreiche Umstrukturierungen und Modernisierungen mit denen Robert Hiscox die angeschlagene Versicherungsbörse Lloyd´s aus der Krise führte. So werden mittlerweile nur noch 10 Prozent der Lloyd´s Risiken von so genannten „Names“ getragen, die als natürliche Personen mit ihrem Vermögen für Schäden haften.
Kein Wunder also, dass Robert Hiscox zur aktuellen Finanzmarktkrise ein gefragter Gesprächspartner ist. Bronek Masojada wurde nach seiner Zeit bei Mac Kinsey Mitglied der Hiscox-Führung und ist der aktuelle CEO von Hiscox.